in process

Nackt

--> VORLÄUFIG - NOCH IN BEARBEITUNG <-- Frau v. P., die an einer akuten PAVK leidet, entwickelt zusätzlich eine massive Panikattacke durch Reaktivierung von traumatischen Kriegserfahrungen;

Gliederung

Der Fall

Altenpflegeschüler Moritz Terbrack erzählt ein Erlebnis aus seinem Praktikum:

„Frau von Puttkammer ist seit kurzer Zeit bei uns. Sie ist 97 Jahre alt und hat bis vor kurzem noch selbständig in ihrer Wohnung gelebt. Dann ist sie dort aber wohl nicht mehr alleine klar gekommen. Ihre Nichte, Frau Walter, die 100 km entfernt in der Großstadt wohnt, wurde von besorgten Nachbarn alar-miert und hat sie völlig exsikkiert, in einem sehr schlechten Ernährungszustand aufgefunden und zunächst ins Krankenhaus gebracht. Von dort aus hat Frau Walter mit dem zuständigen Sozialdienst den Heimplatz und die -aufnahme organisiert, konnte sich aus beruflichen Gründen bislang noch kaum um ihre Tante kümmern, hat aber versprochen, am Wochenende zu kommen und sich dann etwas Zeit mitzubringen.
Frau von Puttkammer wurde im Klinikum zunächst wieder aufgefüllt und ist jetzt wohl besser beieinander aber insgesamt nicht sicher orientiert. Mit dem Umzug war sie zunächst einverstanden, ist aber nur schwer zu überzeugen, dass im Haus Rauchverbot herrscht und wirkt insgesamt sehr unzufrieden. Die Nachtwache berichtet, dass sie nachts sehr unruhig ist und dann auch wirres Zeug erzählt, wobei sie zusammenhanglos von „den Russen“ gesprochen habe.
Außerdem hat sie immer wieder gejammert, dass ihr die Beine wehtun und sie lief auch ganz merkwürdig – irgendwie hinkend und blieb immer wieder unvermittelt stehen. Deshalb haben wir gestern Dr. Köster hinzugezogen, der als Heimarzt zukünftig die ärztliche Betreuung von Frau von Puttkammer übernimmt. Er hat eine pAVK diagnostiziert und eine entsprechende Lagerung sowie 100mg ASS täglich verordnet.
Heute Mittag, kurz nach der Übergabe, wollte ich gerade zu Frau von Puttkammer gehen, um ihr die Beine zu lagern, da lief sie mir mit weit aufgerissenen Augen und schreienden Lauten entgegen. Sie war vollständig entkleidet und lief mit ihrem Rollator über den Flur, wobei sie sich panisch an den Rollator klammerte.
Ich ging daraufhin auf sie zu, begab mich auf Augenhöhe mit ihr und versuchte sie zu beruhigen.
Lena, eine Kollegin, kam mir zu Hilfe und Frau von Puttkammer wurde immer pani-scher. Ich versuchte sie auf einen Stuhl zu setzen, aber sie sprang immer wieder auf. Daraufhin hakten Lena und ich Frau von Puttkammer unter und gingen mit ihr über den Flur in Richtung ihres Zimmers. Daraufhin fing Frau von Puttkammer an, um sich zu schlagen und ließ sich in keinster Weise von uns beruhigen. Im Zimmer angekommen begleiteten wir sie zu ihrem Bett, und drückten sie mit sanfter Gewalt auf die Bettkante. Ihre Augen waren noch immer starr und weit aufgerissen. Der erneute Versuch mit ihr zu reden und sie zu fragen, was mit ihr wäre, schlug fehl, sie antwortete nicht. Unvermit-telt begann sie lauthals und sehr schrill zu schreien. Wir konnten gar nichts machen und ich merkte, wie ich langsam zornig wurde. Lena hatte inzwischen ein großes Handtuch geholt und wollte es ihr umlegen, aber die Bewohnerin fuchtelte nur mit den Armen, schrie und ließ sich nicht beruhigen.

Situations-merkmale

Zielgruppe

  • ältere Menschen (ab 70 Jahre)

Setting

  • stationäre Langzeitversorgung

Pflegeanlass

  • Einschränkungen in der Mobilität
  • psychische Problemlage

Lernsequenzen

Sequenz 1 - "Nackt" - ein Vorstellungsbild von der Situation entwerfen und situativ entscheiden müssen

Std. (davon Kommunikation: Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • formulieren ihr Verständnis zur Rolle von Pflegenden in Krisensituationen im Setting der stationären Langzeitpflege
  • bestimmen die rechtliche Absicherung der getroffenen Entscheidungen
  • entwickeln Anforderungen an Leitlinien zur Krisenintervention in Einrichtungen der Langzeitpflege
  • treffen situativ eine Entscheidung für das Vorgehen in der Krisenintervention unter (vorgestelltem) Handlungszwang
  • reflektieren ihre eigenen Reaktionen auf die vorgestellten Panikreaktionen und decken innere Widersprüche auf, die sie in ihrem Handeln beeinträchtigen könnten;
  • reflektieren und begründen ihre Interventionsentscheidung vorläufig
  • identifizieren für ihre Interventionsentscheidung das Spannungsfeld zwischen einer somatisch-therapeutisch sinnvoller Interventi-on der Ruhigstellung versus Durchführung psychiatrisch-therapeutisch sinnvoller Interventionen (z.B. Begleitung in der flüchtenden Bewegung)

didaktisch methodischer Verlauf

Sequenz 2 - PAVK (oder eine andere Erkrankung, die eine Ruhigstellung erfordert) - Symptomatik und sinnvolle / notwendige Pflegeinterventionen

2 Std. (davon Kommunikation: Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • erklären Pathophysiologie, Symptome, Ursachen, Therapie und Prävention der Erkrankung
  • erläutern Maßnahmen der pflegerischen Versorgung in Bezug auf Symptombeobachtung, Positionierung ...

didaktisch methodischer Verlauf

Sequenz 3 - Angst und Panik professionell begegnen - Vertiefung längst verstanden geglaubter Erkenntnisse

Std. (davon Kommunikation: Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • erweitern ihr Wissen zur Emotion Angst und Angstentstehung und zu einer entsprechenden Pflegediagnostik um die psychiatrische Diagnose der Angststörung (ICD 10/11 + DSM V --> Epidemiologie, Ätiologie, Symptome)
  • erläutern die Diagnosen der Traumatisierung und posttraumatischen Belastungsstörung
  • erkennen Hinweiszeichen auf mögliche Traumata bei jungen und erwachsenen Menschen, bei alten und sehr alten Menschen
  • nennen die Grundzüge von (Psycho-)Therapieverfahren bei beiden Störungsbildern im Zusammenhang dar und benennen Wirkungserwartungen und -begrenzungen bei alten und hochaltrigen Menschen
  • beschreiben medikamentöse Behandlungsformen und deren Wirkungsspektrum (erwünschte und unerwünschte Wirkungen, Kontraindikationen)
  • erläutern Maßnahme der pflegerischen Betreuung von (alten) Menschen mit Angststörungen, Panikattacken, Psychotraumen und zur Krisenintervention, sowohl zu entsprechenden verbalen und nonverbalen Interaktionsmöglichkeiten als auch zum Umgang mit entsprechender Bedarfsmedikation
  • erklären das Prinzip der sekundären- bzw. indirekten Traumatisierung von Professionellen durch Beglei-tung von traumatisierten Menschen (Wdh.)
  • bringen ihre Kenntnisse zum Begriff der Übertragung fallbezogen ein
  • verstehen und deuten fallbezogen das Verhalten der Bewohnerin vor dem Hintergrund der spärlichen Informationen, z. B. auch die Bedeutung von Kleidung und Nacktsein
  • verständigen sich über Möglichkeiten und Grenzziehungen, sich mit eigenen traumatischen Erfahrungen auseinanderzusetzen und Ängste, sich einer therapeutischen Bearbeitung zu stellen
  • reflektieren die Situation von zu pflegenden Menschen im Spannungsfeld zwischen Kontrollbedürfnis und totalem Kontrollverlust als Folge einer Panikattacke / einem wahnhaften Geschehen oder auch mit fortschreitender Demenz (Dreieck von Scham, Angst und Verlust --> K. Gröning);
  • reflektieren das Phänomen einer sekundären Traumatisierung im Bemühen um empathisches Verstehen von Menschen mit schwer traumatischen Erfahrungen;

didaktisch methodischer Verlauf

Sequenz 4 - Die langen Schatten - Pflege als historische und biografische "Spür"aufgabe mit ständig wechselnden Blickwinkeln

Std. (davon Kommunikation: Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • erweitern und präzisieren ihren Überblick zu Ereignissen mit kollektiv-traumatisierenden Wirkungen in Deutschland und Europa sowie punktuell auch bezogen auf weltweite Krisen
  • formulieren Anforderungen an die institutionelle Absicherung von Biografiearbeit zu Prävention in Krisensituationen und zur gezielten Krisenintervention
  • sichern, präzisieren und erweitern ihr Handlungsrepertoire zur Biografiearbeit insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit und der Sensibilisierung für traumatischen Lebensereignisse
  • vollziehen exemplarisch typische Biografien bestimmter Generationen nach, erläutern die Auswirkungen von Krieg, Vertreibung und Nachkriegszeit der zwischen 1925 und 1945 geborenen Menschen in den verschiedenen Regionen Deutschlands
  • vollziehen exemplarisch typische Biografien von Kriegsenkeln, d. h. der zwischen 1955 und 1980 Geborener, nach - als heranwachsende Generation künftig pflegebedürftiger Menschen nach und bilden Hypothesen hinsichtlich einer künftigen Veränderung der Versorgung in der Langzeitpflege
  • vollziehen exemplarisch typische Biografien von Migrant*innen aus Krisengebieten nach und bilden Hypothesen, wie diese Erfahrungen möglicherweise in Verbindung mit Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen sind
  • entwickeln fallbezogen Hypothesen und Fragen als Grundlage für die weitere Biografiearbeit mit der Bewohnerin, Frau v. Puttkammer und mit ihrer Nichte, Frau Walther
  • entwickeln ein Konzept für die längerfristige Gestaltung des Pflegeprozesses bei Frau v. Puttkammer
  • ihren Umgang mit fremden Biografien im Spannungsfeld zwischen Neugier, Voyeurismus, Furcht vor dem Überschwemmtwerden mit fremden Emotionen und (Fremd-)Scham

didaktisch methodischer Verlauf

Sequenz 5 - Was bedeutet "Professionelles Handeln" in der stationären Langzeitversorgung

Std. (davon Kommunikation: Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • ... überprüfen und reflektieren ihre Handlungsentscheidung aus der Einstiegssequenz vor dem Hintergrund der hinzugewonnenen Erkenntnisse
  • ... reflektieren die besondere Unsicherheit im pflegerischen Handeln in der geriatrischen Langzeitversorgung bzw. einem (geronto-)psychiatrischen Arbeitsfeld;
  • ... verdeutlichen und reflektieren fallbezogen die Strukturlogik pflegerischen Handelns zwischen Handlungszwang und Begründungsverpflichtung;

Voraussetzungen, Weiterführungen, Alternativen

Voraussetzungen


Parallelen

Literatur

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