Berührung – Interaktion bei der körpernahen Versorgung

Gliederung

Situations-merkmale

Zielgruppe

  • Menschen mit schwierigen sozialen Lebensbedingungen
  • andere Berufsgruppen

Pflegeanlass

  • nicht näher bestimmt

Lernsequenzen

Sequenz 1 - Sensibilisierung und Begriffsklärung

2 Std. (davon Kommunikation: 1 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • unterscheiden Tasten und Berühren sowie die zugehörigen Begriffe,
  • leiten eine Definition für den Begriff Berühren/ Berührung ab,
  • beschreiben, wie häufig und wie regelmäßig eine Berührung für sie angenehm ist,
  • verständigen sich über unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse von Menschen, berührt zu werden bzw. andere zu berühren.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... lesen das folgende Zitat: "Anfassen ist simpel, berühren ist Kunst" und versuchen, die beiden Aussagen voneinander zu trennen Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch - gelenkte Diskussion
2 ... verständigen sich über die unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse anderer Menschen, berührt zu werden bzw. andere zu berühren Murmelgespräch
3 ... äußern Eindrücke durch ihre praktischen Erfahrungen zum Thema Berühren, Umarmen, Nähe, Distanz und diskutieren diese im Plenum Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch - Einzelarbeit (das Thema sollte zu Beginn auf einer professionellen Ebene und nicht stark auf einer persönlichen aufgegriffen werden)
4 ... leiten aus dieser Differenzierung eine gemeinsame Definition von "Berühren" ab und notieren sie Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch

Sequenz 2 - Pflege als Berührungsberuf

2 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • nennen Situationen, in denen Pflegekräfte die zu pflegenden Menschen berühren,
  • unterscheiden Anlässe für Berührungssituationen (funktionsorientierte Maßnahmen und/ oder Ausdruck von emotionalen Verhaltensweisen),
  • stellen die Besonderheiten des Pflegeberufs als "Berührungsberuf" zusammen (auch im Vergleich zu anderen Berührungsberufen, z. B. Friseurhandwerk, Physiotherapie, Massage ...),
  • nennen die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Haut (Trias des Hautsinns) sowie die Besonderheiten des Tastsinns,
  • erklären die besondere Bedeutung von Berührungen im Ausdruck/ Austausch von Emotionen,
  • erklären die Begriffe 'taktile Kommunikation' und 'initiale Berührung',
  • nennen Gruppen von zu pflegenden Menschen, die in einem besonderen Maße auf eine taktile Kommunikation und auf das Berühren angewiesen sind,
  • sammeln und vermuten, wann und wie oft Patient*innen im Krankenhaus bzw. Menschen in Pflegeeinrichtungen, ggf. auch in der häuslichen Pflege, berührt werden,
  • identifizieren die unterschiedlichen Berührungsqualitäten, sowohl aus der Perspektive der/ des Berührenden als auch aus der Perspektive der / desjenigen, die / der berührt wird,
  • nehmen wahr bzw. beschreiben aus eigenen Erfahrungen, welche Emotionen durch Berührung zum Ausdruck gebracht werden können,
  • tauschen sich über das Empfinden gegenüber den ‚Möglichkeiten einer Initialberührung' aus ihrer individuellen Perspektive aus.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... sammeln Situationen / Anlässe in Pflegesituationen, in denen sie Menschen berühren bzw. berührt haben bzw. von denen sie vermuten, dass sie andere beruflich berühren werden und halten diese fest Partner*innenarbeit - Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch - Moderationskartenabfrage
2 ... differenzieren die gesammelten Situationen nach funktionsorientierten Maßnahmen und Ausdruck von emotionalen Verhaltensweisen, ggf. Reaktionen der zu pflegenden Menschen mit aufnehmen Clustern der Moderationskarten
3 ... diskutieren die besondere Herausforderung von Berührung als Ausdruck von emotionalen Verhaltensweisen Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch; gelenkte Diskussion
4 ... wiederholen die Wahrnehmungsmöglichkeiten der Haut (Trias des Hautsinns) sowie des Tastsinns bzw. recherchieren gegebenenfalls ergänzend Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch
5 ... führen gegenseitig eine Berührungsübung durch (s. Übung 3 im Anhang), halten unterschiedliche Berührungsqualitäten und mögliche Auswirkungen der Reaktionen auf die Berührung fest Partner*innenübung
6 ... vermuten, sammeln und dokumentieren, welche Gruppen zu pflegender Menschen im besonderen Maße auf eine taktile Kommunikation angewiesen sind / sein könnten Partner*innenarbeit
7 ... führen vor, wie sie eine fremde Person durch eine initiale Berührung ansprechen könnten (Bezug zur Pflege) und nennen / zeigen zugleich Negativbeispiele Rollenspiel als Kurzdokumentation im Plenum - Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch

Sequenz 3 - Die eigene und die fremde Kultur - Einführung in die kultur- und differenzsensible Pflege (in der Vertiefung variabel)

2 Std. (davon Kommunikation: - Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • erklären den Begriff Kultur (und dessen wesentlichen Kriterien) und leiten ausgehend davon eine Definition für "Kultursensibilität" ab,
  • identifizieren Beispiele, was Kultur umfasst und leiten davon Aspekte kultur- und differenzsensibler Kompetenz ab,
  • erklären die Kulturpyramide und die Dimensionen von Kultur nach Hofstede,
  • erläutern die Bedeutung der kultur- und differenzsensiblen Pflege im Hinblick auf den Anteil der Pflegeheimbewohner*innen und ambulant versorgten Menschen mit Migrationshintergrund sowie deren zukünftige prognostizierte Entwicklung in den nächsten 10 - 15 Jahren,
  • identifizieren erste Aspekte einer kultur- und differenzsensiblen Pflege an ausgewählten Beispielen,
  • nennen Möglichkeiten der Reflexion der eigenen persönlichen (gewöhnlich nicht-bewussten) kulturellen Prägungen im Denken, Fühlen und Handeln,
  • nennen Möglichkeiten der Wissensaneignung über mögliche, kulturell beeinflusste Denkformen, emotionale Reaktionen und Handlungsmuster bei Menschen aus anderen Kulturkreisen und des Herausfilterns von Ähnlichkeiten / Gemeinsamkeiten, sowie von Widersprüchen und Unterschieden, um Ansatzpunkte für eine gemeinsame Handlungsstrategie zu entwickeln,
  • klären ihr subjektives Kulturverständnis,
  • tauschen sich über Inhalte ihrer Sichtweise aus und lernen dabei andere Sichtweisen von Kultur kennen.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... erhalten einen "Kulturbeutel", diskutieren und halten auf Kartei- oder Moderationskarten fest, worüber sie denken, dass es zu Kultur gehört und einigen sich, was in den Kulturbeutel aufgenommen werden soll; sie stellen ihre Kulturbeutel im Plenum vor und reflektieren die unterschiedlichen Kulturverständnisse Kleingruppen, "Kulturbeutelübung": Was gehört zu Kultur?
2 ... erarbeiten sich in der Kleingruppe eine gemeinsame Beschreibung von "Kultur" und diskutieren die unterschiedlichen Ergebnisse im Plenum Kleingruppenarbeit, Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch
3 ... lesen ausgehend von ihren Beschreibungen eine Definition "Kultur" (wesentliche Kriterien: dynamischer Kulturbegriff, auf eine Gruppe bezogen, aber nicht homogen) und hören dazu in Bezug zu ihren Umschreibungen die Erklärungen der Lehrperson Lehrer*invortrag
4 ... betrachten die Kulturpyramide und ihre Dimensionen und versuchen, sich ihren Inhalt und Bedeutung gemeinsam mit ihrer/ ihrem Partner*in zu erschließen bzw. sich es gegenseitig zu erklären, stellen ggf. Rückfragen Partner*innenarbeit
5 ... erklären sich gegenseitig an einer Präsentationsfolie im Plenum die Kulturpyramide und stellen ggf. Rückfragen an ihre Mitschüler*innen, schaffen dabei, wenn möglich, Bezüge zu ihren "Kulturbeuteln" Schüler*innen-Schüler*innen-Gespräch
6 ... leiten Handlungsempfehlungen für das Berühren vor dem Hintergrund kultur- und differenzsensibler Pflege ab Kleingruppenarbeit
7 ... tragen ihre Aspekte einer kultur- und differenzsensiblen Pflege zusammen und formulieren ausgehend davon ein Bulletin "kultur- und differenzsensible Pflege" für ihren Kurs Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch, Plakatgestaltung
8 ... betrachten bzw. lesen einen Ausblick zu weiteren Lernsituationen im Ausbildungsverlauf zum Thema "kultur- und differenzsensible Pflege" Plenum (Ausblick weitere Lernsituation, Modell nach Leininger,...)

Sequenz 4 - Tabuzonen wahrnehmen, anerkennen und überschreiten (müssen) als zentrale Aspekte von Berühren in der Pflege

2 Std. (davon Kommunikation: 1 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • erklären den Begriff "Tabuzonen" und erläutern seine zentrale Bedeutung für die Pflege,
  • identifizieren unterschiedliche Tabuzonen in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion, sexueller Orientierung, .....,
  • erklären Grundsätze eines sensiblen Umgangs mit Tabuzonen in der körpernahen, pflegerischen Versorgung,
  • verständigen sich über ihre eigenen Tabuzonen gegenüber fremden Personen,
  • diskutieren über die Individualität von Tabuzonen im Kontext von berühren und berührt werden.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... markieren auf einem Körperumriss, an welchen Körperstellen sie von einer fremden Person berührt bzw. nicht berührt werden wollen Einzelarbeit, Vordruck Körperumriss-Arbeitsblatt
2 ... vergleichen die Arbeitsblätter anonym und sammeln Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihrer Gruppe Vernissage der Körperumrisse - gelenkte Diskussion; Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch
3 ... stellen Vermutungen darüber an, wie sich die ermittelten Gemeinsamkeiten in anderen Bevölkerungsgruppen darstellen könnten und bilden Hypothesen zu möglichen Tabuzonen abhängig von Alter, Herkunft/ Kultur, Geschlecht, sexueller Orientierung, ... Einzelarbeit - Lehrer*in-Schüler*innengespräch, ggf. mit Lehrer*invortrag (s. auch grafische Darstellung Suvilehto 2015)
4 ... diskutieren Anforderungen an einen sensiblen Umgang mit Tabuzonen in der Pflege und leiten daraus allgemeine Handlungsempfehlungen ab, die sie hinsichtlich ihrer Gültigkeit für sich selbst überprüfen Lehrer*invortrag; Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch - Einzelarbeit
5 ... bekommen einen Ausblick auf weitere Einheiten, die auf der Lernsituation aufbauen Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch

Hinweise zur Unterrichts-vorbereitung

Voraussetzungen, Weiterführungen, Alternativen

Voraussetzungen


Weiterführungen

Anhang

Entwicklung


Dokumente

Didaktischer Kommentar

Der Pflegeberuf wird auch als ein Berührungsberuf bezeichnet, wodurch die Berührung mit der Patientin / dem Patienten und dadurch auch die Interaktion in der körpernahen Versorgung hervorgehoben werden. Die Lerneinheit ‚Berührung – Interaktion bei der körpernahen Versorgung‘ ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Berühren und berührt werden‘.

Die Lernenden sollen für das Thema und die Bedeutung zuerst aus einer alltäglichen Perspektive und anschließend aus einer professionellen Perspektive heraus sensibilisiert werden. Hauptintention der Unterrichtseinheit ist nicht die Selbstwahrnehmung oder das Selbsterleben von Berührung. Die Lernenden sollen als alltägliche Formen der Berührung vielmehr erkennen, dass die Berührung eine zentrale Tätigkeit Pflegender ist, die mit anderen Intentionen verknüpft ist. Thematisiert wird im Besonderen Berührung als emotionale Verhaltensweise und in diesem Zusammenhang das Ausbalancieren von Nähe und Distanz. Des Weiteren erarbeiten die Lernenden die Gründe für eine Berührung und anhand einer kleinen Übung unterschiedliche Berührungsqualitäten. Anschließend wird eine besondere Form der taktilen Berührung, die initiale Berührung, herausgegriffen und als eine Möglichkeit der Kontaktaufnahme ausprobiert und geübt. Abschließend setzen sich die Lernenden mit ihren eigenen Tabuzonen auseinander und vergleichen anonym ihre persönlichen Tabuzonen mit denen der anderen Lernenden („Wo möchte ich von fremden Menschen nicht berührt werden?“). Davon ausgehend soll diskutiert werden, wie sich Alter, Geschlecht, Herkunft, Religion usw. auf die Tabuzonen auswirken können. Aus dieser Diskussion wird als Ergebnissicherung eine stichpunktartige Handreichung für die pflegerische Tätigkeit zum Berühren und zum Umgang mit Tabuzonen entwickelt.

Literatur

cc 0