Sprachlos

Präoperative Vorbereitung auf eine Laryngektomie - Bewältigung von Lebenskrisen in der Partnerschaft

Gliederung

Der Fall

Sprachlos

Die Gesundheits- und Krankenpflegerin Sabine Kurz, die erst vor vier Wochen ihr Examen abgelegt hat, übernimmt die pflegerische Versorgung von Herrn Fischer, der zur geplanten totalen Kehlkopfextirpation eingewiesen wurde, im Rahmen der Mittagsübergabe von ihrer Kollegin Natascha, die den Patienten vorstellt:
„Vor einer Woche wurde die Diagnose Kehlkopf Carcinom gestellt. Herr Fischer hatte außer einer Heiserkeit, die schon mehr als 4 Wochen andauert, keine Beschwerden und Vorerkrankungen. Er ist 55 Jahre alt und selbständiger Bäckermeister. Aufnahme war heute Vormittag. Er liegt im Einzelzimmer, sein Ehemann ist anwesend. Beide wirken noch ziemlich unvorbereitet. Sie reden unter-einander und mit uns meistens über den Betrieb – die bisher geführten Gespräche scheinen sie noch überhaupt nicht erreicht zu haben. Herr Fischer hat wohl bisher nur die nötigsten Informationen von ärztlicher Seite erhalten.“
Sabine hat sich nach dieser Übergabe vorgenommen, den Patienten im Verlauf des Nachmittags über die prä- und postoperative pflegerische Versorgung aufzuklären. Als sie das Zimmer betritt, um sich erst einmal vorzustellen, wischt sich der Ehepartner gerade die Tränen ab. Herr Fischer umklammert die Hand seines Ehemanns und wirkt angespannt. Die junge Pflegerin legt die Informati-onsbroschüre auf den Tisch und erklärt, dass sie den Eheleuten gerne noch ein paar Erläuterungen zu dem Krankenhausaufenthalt geben würde. Abrupt lässt Herr Fischer die Hand los, schiebt die Broschüre zur Seite und herrscht Sabine an: „Ach, lassen Sie mich doch in Ruhe. Wofür soll das gut sein, die schnippeln doch sowieso, wie sie wollen.“
Sein Ehemann fällt ihm ins Wort: „Ich habe immer gesagt, du rauchst zu viel. Jetzt lass uns doch mal hören, was die Schwester zu sagen hat!“

Situations-merkmale

Zielgruppe

  • Menschen im Erwerbsalter (30 – 69 Jahre)
  • Partnerschaft, soziale Bezugspersonen, Familien

Setting

  • Akutklinik

Pflegeanlass

  • Einschränkung in der Kommunikation
  • Kommunikations- / Informations-/ Beratungsbedarf
  • onkologische Erkrankung

Lernsequenzen

Sequenz 1 - In 5 Schritten Lernfragen ermitteln

3 Std. (davon Kommunikation: - Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • erschließen sich die Fallsituation nach den Prinzipien des Problemorientierten Lernens (7-Sprung),
  • fassen ihre Ideen und Ansätze zur Problemlösung zusammen und ordnen diese systematisch,
  • formulieren ausgehend von ihrem Lernbedarf ihre Lernziele,
  • tauschen sich über ihre Gedanken und Gefühle zu der beschriebenen Situation aus und entwickeln Hypothesen zu den Gefühlen, Gedanken, Wünschen und Bedürfnissen der beteiligten Personen und verständigen sich darüber.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... ermitteln in den nachfolgenden fünf Schritten ihre Lernfragen bzw. ihren Lernbedarf hinsichtlich der Falldarstellung Lehrer*in vermittelt im Kurzvortrag mit Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch an einem einfachen, ggf. schon aus dem Unterricht bekannten Fallbeispiel die 5 Schritte der ersten Phase im problemorientierten Lernen
2 ... lesen die Falldarstellung, klären unklare Begriffe und grundsätzliche Verständnisfragen Schritt 2-6: Gruppenarbeit, die Lernenden vollziehen die 5 Schritte zur Gewinnung von fallbezogenen Lernfragen selbständig nach
3 ... definieren das/ die Problem*e und Themenstellungen, bündeln die Fragestellung und präzisieren Teilprobleme und Aspekte der leitenden Fragestellung ("Worum geht es?")
4 ... sammeln Lösungsansätze und Ideen im Brainstorming und aktivieren und vernetzen ihr Vorwissen ("Was fällt uns dazu ein? Wo verfügen wir schon über ausreichendes Wissen?")
5 ... diskutieren, prüfen und ordnen die gesammelten Hypothesen, fassen ihre Ideen und Ansätze zusammen und ordnen diese systematisch
6 ... formulieren ihre Lernziele, ausgehend von auftauchenden Wissenslücken und problematischen Punkten in der Diskus-sionsphase, identifizieren und formulieren ihre Lernbedarfe
7 ... präsentieren und begründen ihre Lernbedarfe und ihre Lernziele im Plenum, vergleichen ihre Lernfragen, decken Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf und verständigen sich auf gemeinsame bzw. differentziert zu bearbeitende Lernfragen für die Recherche in Sequenz 2 Plenum; Flipchart

Sequenz 2 - Klärung der Lernfragen zum Krankheitsbild - Selbständige Wissensrecherche und Diskussion der Rechercheergebnisse im Expert*innengespräch

7 Std. (davon Kommunikation: - Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • recherchieren, rezipieren Konzepte zu präoperativen Aufklärungsgesprächen bei Laryngektomie,
  • beschreiben, ausgehend von den Ursachen und Risikofaktoren, die Pathophysiologie eines Larynxkarzinoms,
  • erklären die unterschiedlichen Formen eines Larynxkarzinoms, die Häufigkeiten (Inzidenzrate/ Prävalenz), die Symptome, die Behandlungsmöglichkeiten, den möglichen Krankheitsverlauf, die Prognose und/ oder andere in Sequenz 1 benannte Aspekte,
  • erklären mögliche Komplikationen und Nebenwirkungen unterschiedlicher Behandlungsoptionen,
  • identifizieren aufgrund ihrer Recherche eigene Wissenslücken und halten diese in Form von Lernfragen fest.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... clustern ihre Lernfragen zum Krankheitsbild Larynxkarzi-nom/ Kehlkopfkarcinom, erweitern diese ggf. und verabre-den arbeitsteilig die Recherche, schließen dabei Fragen zu den Ursachen und Risikofaktoren, der Häufigkeit der Sympto-me, der Behandlungsmöglichkeiten sowie deren Krankheits-verlauf und Prognose mit ein (auch die Unterscheidung insu-praglottische Karzinome; glottische Karzinome; subglottische Karzinome und deren Folge für die Behandlung) Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch oder eine durch Lernende selbst moderierte Gesprächsform
2 ... recherchieren anhand ihrer Lernfragen Recherche in Partner*innenarbeit, arbeitsteilig mit jeweils zwei themengleichen Partner*innengruppen
3 ... besprechen und diskutieren ihre Arbeitsergebnisse mit einem weiteren Partner*innentandem, recherchieren bei Unklarheiten nach und ergänzen ihre Arbeitsergebnisse zusammen Partner*innenarbeit
4 ... bereiten sich auf die Expert*innenkonsultation gezielt vor und halten offene Fragen und Unklarheiten fest Partner*innenarbeit
5 ... stellen in der Expert*innenkonsultation ihre Fragen bzw. erklären und diskutieren ihre Rechercheergebnisse mit der / dem Expert*in und erweitern ggf. ihre Aufzeichnungen Expert*innenkonsultation -> ggf. gestützt durch Video "Schlucken ohne/ mit Kehlkopf" (www.stimmprothese.de) / freihändiges Sprechen ohne Kehlkopf

Sequenz 3 - Stimme haben, stimmlos sein

2 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • erklären die Funktion der Stimme sowie die Physiologie der Stimme,
  • erklären Formen, Häufigkeiten, Symptome, Behandlungsmöglichkeiten, mögliche Krankheitsverläufe, Prognosen von Larynxkarzinomen und weitere Aspekte, um die Situation von Herrn Fischer einzugrenzen,
  • identifizieren mögliche Folgen der Stimmlosigkeit bzw. der Stimmverzerrung für das soziale Leben,
  • experimentieren mit den Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Stimme und erspüren die Bedeutung der Stimme als "Kanal leiblicher Kommunikation" (Uzarewicz),
  • verständigen sich über die subjektiv empfundene Bedeutung der eigenen Stimme.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... führen diverse Atem- und Stimmübungen durch durch Lehrende angeleitete Übungen, ggf. im Freien, die Lernenden konzentrieren sich auf sich selbst, stehen z. B. mit dem Rücken zueinander
2 ... tauschen sich über ihre Erfahrungen während der Übung und anhand von unterschiedlichen Impulsen darüber aus, welche Bedeutung Stimme für sie selbst und in der Kommunikation mit anderen hat Partner*innengespräch, evtl. ergänzt durch verschiedene Impulse (Bild-/ Text-/ Ton- bzw. Klangangebote auf einem "Markt der Stimme")
3 ... erklären ihren Partner*innen in einer bestimmten Zeit (ca. 2 Minuten) den Weg zur ihrem Lieblingsplatz in der Stadt ohne die Stimme zu benutzen und ändern danach ihre Rollen (Hörer <-> Zuhörer) Partner*innenarbeit
4 ... umschreiben und benennen Gefühlswörter, um zu definieren, was es in ihnen auslöst, wenn sie ihre Stimme nicht benutzen bzw. sich vorstellen, ihre Stimme nie wieder benutzen zu können Partner*innenarbeit
5 ... sammeln Gefühlswörter und diskutieren, welche Bedeutung die Stimme für die Kommunikation hat Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch
6 ... hören Audioaufnahmen von Menschen nach einer Laryngektomie mit und ohne Stimmprothese Audioaufnahme
7 ... tauschen sich anschließend darüber aus, welche Bedeutung und Folgen die Einschränkung der Stimme für ihre sozialen Beziehungen haben kann/ könnte (versuchen dabei konkrete Beispiele zu formulieren) Murmelgespräch; Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch

Sequenz 4 - Paarbeziehungen/ Partnerschaft verstehen - Angehörige erfolgreich einbeziehen

3 Std. (davon Kommunikation: 1 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • unterscheiden verschiedene Gruppen von Angehörigen/ Bezugspersonen für zu pflegende Menschen und bestimmen die Rolle von Partnerschaften in ihrer unmittelbaren Bedeutung für die pflegerische Beziehungsgestaltung,
  • erklären krankheitsbezogene Belastungen für die/ den Partner*in und deren mögliche Ursachen,
  • tragen fallbezogen grundlegende Erkenntnisse zu Entwicklungsprozessen in der Lebensphase des Erwachsenenalters, die Bedeutung von Partnerschaft und den Einfluss von Bedeutung von Lebenskrisen zusammen,
  • benennen und definieren Haupt- und Subformen des dyadischen Copings,
  • identifizieren Maßnahmen für die Unterstützung von Ehepaar Fischer/ von Paaren durch die Pflege,
  • verständigen sich über die persönliche Einstellung zu Liebe, Partnerschaft und Ehe und das Erleben von (Dis-)Harmonien bei anderen Paaren,
  • tauschen sich fallbezogen über die Herausforderungen aus, vor denen sie als Pflegende bei der Unterstützung von (Ehe-)Paaren stehen, wenn eine der beiden Personen erkrankt ist,
  • reflektieren das Spannungsfeld zwischen dem Anspruch grundsätzlicher Offenheit gegenüber den Einstellungen, Gefühlen und der Lebenswelt der Patient*innen und ihren persönlichen, biografisch und gesellschaftlich geprägten Normen und Werten.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... sammeln verschiedene Gruppen von Angehörigen bzw. Bezugspersonen zu pflegender Menschen, tauschen sich über ihre Erfahrungen und ihre durch Erfahrungen geprägte Stereotype aus und fokussieren "Partnerschaften/ Paare" als eine zentrale, für den Pflegeprozess bedeutungsvolle Gruppe - ggf. mit Rückgriff auf die Studie "Weiterleben lernen" von Corbin & Strauss (2010), vgl. --> Durch Verlaufskurven begleiten (Partner*innengespräch) - Sammlung und Fokussierung im Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch
2 ... aktivieren ihr Vorwissen zu Entwicklungsprozessen und der Lebensphase des Erwachsenenalters, fokussieren hierbei wiederum die Bedeutung von Krisen- und Problemsituatio-nen/ -episoden und diskutieren die wechselseitige Bedeu-tung, die Partnerschaften in diesen Lebenssituationen haben Gruppenarbeit
3 ... entwickeln konkrete Fragestellungen und Suchbegriffe zu den Feldern "Partnerschaften", "Stabilität von Beziehungen" in Relation zu "Krankheitsverlauf bzw. Gesundungsprozess" und "Rolle der Pflegenden", ggf. in Ergänzung zu entsprechenden, bereits in Sequenz 1 entwickelten Fragestellungen, recherchieren hierzu im Internet Gruppenarbeit, möglichst gleiche Gruppen wie in Sequenz 1 und 2
4 ... stellen die recherchierten Quellen und die bei der Recherche gewonnenen Erkenntnisse zusammen Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch mit Überleitung zur anschließenden Textarbeit
5 ... lesen den Text "Partnerschaft und Krebs" (Ernst & Weißflog 2017) und bearbeiten Fragen zu den Themen "Krankheitsbezogene Belastungen der Partner*innen" Textarbeit - Einzelarbeit mit Arbeitsauftrag -> Absprache der Ergebnisse im Plenum
6 ... interpretieren durch die Informationen aus dem Artikel fallbezogen die möglichen Auswirkungen/ Bedeutungen, die onkologische Erkrankungen für die Partnerschaft haben können Gruppenarbeit
7 ... recherchieren Möglichkeiten der gezielten Unterstützung einer dyadischen Krankheitsbewältigung von Paaren durch die Pflege vor dem Hintergrund der "Formen des dyadischen Copings" (a. a. O.) Gruppenarbeit
8 ... identifizieren ausgehend von ihrer Recherche besondere Herausforderungen im Umgang mit zu pflegenden Partner*innen und engen Angehörigen Gruppenarbeit -> (Un-)Wissenheit/ Ungewissheit von Angehörigen (was darf ich sagen und was noch nicht?)
9 ... leiten mögliche fallbezogene Maßnahmen für das Paar Fischer ab und vergleichen diese mit den Ergebnissen von ihren Mitschüler*innen Gruppenarbeit -> Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch (Überleitung zur Sequenz 5)

Sequenz 5 - Das Ehepaar Fischer erfolgreich zur prä- und postoperativen Versorgung aufklären

3 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • diskutieren mögliche Bedarfe der zu informierenden Personen für kommunikative Interventionsangebote,
  • identifizieren die konkreten Bedürfnisse der jeweiligen Patient*innen hinsichtlich ihres Informations-, Schulungs- und Beratungsbedarfs, die nutzbaren Ressourcen, die anzustrebenden Ziele und die so zu begründenden Maßnahmen,
  • verständigen sich über ihre eigenen Gedanken, Gefühle und Interessen in Bezug auf das Informationsgespräch mit dem Ehepaar Fischer,
  • entwickeln fallbezogen begründete Ansatzpunkte zur Optimierung der präoperativen Vorbereitung von Herrn Fischer und seinem Ehemann auf die Laryngektomie.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... lesen einen Arbeitsauftrag zur Vorbereitung und Durchführung des Informationsgesprächs durch, finden sich in 4er Gruppen zusammen und stellen ggf. Rückfragen Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch
2 ... bereiten das Aufklärungs- und Informationsgespräch für das Ehepaar Fischer vor, recherchieren dazu unterschied-lichste, ergänzende Informationen und versuchen, mögliche Fragen des Ehepaares breit zu berücksichtigen (versuchen, wenn möglich, auch verschiedene Verläufe/ Reaktionen vorzudenken und miteinzubeziehen) Gruppenarbeit, u. a. Informationsmaterial vom Bundesverband der Kehlkopfoperierten e.V.
3 ... entwickeln fallbezogen begründete Ansatzpunkte zur Optimierung der präoperativen Vorbereitung eines zu pflegenden Menschen und der Bezugsperson(en) auf eine Laryngektomie
4 ... führen mit zwei anderen Mitschüler*innen aus einer der anderen Gruppen das Aufklärungs- und Informationsge-spräch durch und dokumentieren dieses Gespräch mittels Videoaufnahme Rollenspiel
5 ... schauen sich gemeinsam mit der anderen Gruppe (insge-samt acht Schüler*innen) die beiden Gespräche an, geben sich gegenseitig Rückmeldungen und halten dabei wichtige Erkenntnisse fest, wählen gezielt exemplarisch gelungene und problematische Sequenzen für die Abschlussbesprechung im Plenum aus Gruppenarbeit, Videoanalyse
6 ... schauen sich ausgewählte Szenen aus den Gesprächen im Plenum an, halten Herausforderungen fest und entwickeln ggf. mögliche Handlungsalternativen Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch

Hinweise zur Unterrichts-vorbereitung

Voraussetzungen, Weiterführungen, Alternativen

Voraussetzungen


Weiterführungen

Anhang

Entwicklung

Literatur

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