Mund nicht geöffnet

Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme bei stark verlangsamtem Essverhalten und/ oder (vermeintlicher) Ablehnung von Speisen und Getränken

Gliederung

Der Fall

Sie hat ihren Mund nicht geöffnet

„Wir haben eine Bewohnerin auf Station, die vor ein paar Wochen krank geworden ist, mit Fieber und so. Sie hat schon, bevor sie krank geworden ist, sehr schlecht gegessen und getrunken. Wo sie krank geworden ist, hat sie gar nix mehr gegessen und getrunken. Ich bin der Meinung, dass sie es vergessen hat. Ich sollte dann bei ihr Essen reichen und Trinken eingeben. Ich bin dann zu ihr ins Zimmer und wollte ihr halt Essen reichen. Sie hat aber ihren Mund nicht geöffnet. Ich habe ihr dann 5 mal erzählt, dass sie ihren Mund öffnen soll. Dann hat sie ihren Mund geöffnet, aber nicht mehr geschluckt. Ich habe dann halt zu ihr gesagt, sie soll doch bitte ihr Essen im Mund schlucken. Nach 5 Minuten hat sie dann das Essen geschluckt. Bis das Essen alle war, hat es ungefähr eine dreiviertel Stunde gedauert. Ich sollte ihr aber das ganze Essen eingeben. Ich habe mich irgendwie schlecht gefühlt, weil ich nicht wusste, ob sie nix mehr will oder ob sie es vergisst.
Und als ich das dann alles mittags bei der Übergabe erzählt hab, sagte eine Kollegin, die schon ein paar Jahre in dem Heim arbeitet, dass die Frau in der letzten Zeit tüchtig abgebaut hat und wir mit den Angehörigen doch mal über eine PEG nachdenken sollten.“

Situations-merkmale

Zielgruppe

  • ältere Menschen (ab 70 Jahre)
  • Partnerschaft, soziale Bezugspersonen, Familien
  • Pflegende / Lernende selbst

Setting

  • Akutklinik
  • stationäre Langzeitversorgung

Pflegeanlass

  • Unselbstständigkeit in der Selbstversorgung

Lernsequenzen

Sequenz 1 - Das kommt mir bekannt vor

1 Std. (davon Kommunikation: - Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • formulieren ihre Lerninteressen,
  • tauschen sich über ihr Erleben von Situationen des Anreichens von Nahrung aus, insbesondere dann, wenn Menschen sehr langsam essen oder das Essen vermeintlich ablehnen.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... lesen das Narrativ und erzählen Situationen, die sie im Zusammenhang mit der Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme erlebt haben und schreiben diese ggf. auf Einzelarbeit - Erstellung von Narrativen und/ oder Gruppenarbeit mit mündlichen Erzählungen und Auswahl einer Situation, die schriftlich fixiert und im Plenum veröffentlicht wird
2 ... erarbeiten Übereinstimmungen und Differenzen zwischen den eigenen Erfahrungen und der Fallsituation Klassengespräch - Anlage eines Archivs für die Abschlusssequenz, z. B. als Wandzeitung oder auch auf der digitalen Lernplattform der Klasse
3 ... identifizieren die zentralen Probleme des Narrativs „Mund nicht geöffnet“ aus den verschiedenen Perspektiven bzw. mögliche Schlüsselfragen der Falleingeberin, sofern das Verfahren der Kollegialen Beratung vertraut ist Klassengespräch - Tafelmitschrift
4 ... kennen die Struktur der Lernsituation Kurzvortrag zum Lernsituations-Verlauf mit den Lernsequenzen
5 ... formulieren Lernfragen, abgeleitet von den Problemen, und ordnen diese den Lernsequenzen zu Einzel-/ Gruppenarbeit mit Kartenabfrage und Wandzeitung zu den Lernsequenzen (resp. Sammlung auf der digitalen Lernplattform der Klasse)

Sequenz 2 - Interaktion zur Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme prozessorientiert gestalten

7 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • beachten eine rückengerechte Arbeitshaltung, während sie zu pflegende Menschen bei der Nahrungsaufnahme unterstützen,
  • entnehmen den Dokumentationsunterlagen die situativ erforderlichen Informationen,
  • nennen einfache, pathophysiologische Zusammenhänge von Dysphagie und Aspiration,
  • kennen Möglichkeiten (Screening/ Assessment) zur begründeten Einschätzung des Aspirationsrisikos,
  • erkennen Bedürfnisse, Schwierigkeiten und Ressourcen der zu pflegenden Person in Bezug auf Essen und Trinken und die Interaktion mit anderen,
  • berücksichtigen Wahrnehmungs- und Kognitionseinschränkungen bei der verbalen und nonverbalen Kommunikationsgestaltung in Verbindung mit dem Angebot von Nahrung und Flüssigkeit,
  • bereiten das Angebot der Nahrung und Flüssigkeit sachgerecht vor, z. B. Lagerung, Umgebungsgestaltung, Information,
  • kennen geeignete Pflegeinterventionen, um das Aspirationsrisiko beim Anreichen von Nahrung und Flüssigkeit gering zu halten,
  • berücksichtigen die Mundpflege als Teil der Maßnahme,
  • interagieren verbal und nonverbal situationsgerecht (ergänzen ihren "Skill-Koffer" mit situativ sowie personell geeigneten Formulierungsmöglichkeiten in Verbindung mit der Unterstützung beim Essen und Trinken),
  • leiten Aspekte für die Evaluation der Pflegeintervention "Anreichen von Nahrung und Flüssigkeit" ab,
  • verständigen sich über ihre jeweils eigene Esskultur, auch im Vergleich mit der älterer Menschen,
  • nehmen ihre aufkommenden Gefühle, vor allem aufkommende Ungeduld im Umgang mit der Langsamkeit, wahr,
  • verständigen sich mehrperspektivisch über unterschiedliche Wahrnehmungen zur Situation,
  • verständigen sich über mögliche Wünsche, Gedanken und Bedürfnisse der zu pflegenden Person,
  • gestalten die individuelle Interaktion zur Unterstützung bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme motivierend bedürfnis- und situationsgerecht.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... tauschen sich über die Bedeutung aus, die Essen und Trinken bzw. die Einnahme von Mahlzeiten für sie selbst hat, und vergleichen diese mit der Bedeutung für ältere Menschen (am Beispiel ihrer Großeltern) Impulse, die die Lernenden zum Gedankenaustausch anregen, z. B. freie Assoziation, Schreibgespräch zu verschiedenen Bildern, Texten, Liedern, Kurz-Fragebogen mit anschließender Diskussion in Kleingruppen/ der Großgruppe; zielt nicht auf abschließende Klärung, sondern dient als Anregung, die Facetten der Thematik wahrzunehmen
2 ... entnehmen unvollständigen und unübersichtlichen Dokumentationsunterlagen der zu pflegenden Person die verfügbaren, situativ erforderlichen Informationen zur aktuellen Situation der Patientin, identifizieren, soweit möglich, Ressourcen Probleme und formulieren offene Fragen Einzelarbeit/ Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch - (möglichst mit den bei den Projektpartner*innen üblichen Dokumentationsmappen arbeiten bzw. auch mit einer elektronischen Patient*innenakte (Demoversion) eines in den kooperierenden Einrichtungen üblichen Systems)
3 ... erarbeiten sich Wissen zu einem möglichen Aspirations-risiko beim Anreichen von Nahrung und Flüssigkeit und zu einem geeigneten Screening/ Assessmentverfahren; schätzen das Aspirationsrisiko anhand der (möglicherweise unvollständig) dokumentierten Informationen ein; identifizieren Beobachtungskriterien für die weitere Ermittlung des Aspirationsrisikos; erarbeiten sich Wissen zu geeigneten Interventionen zur Vermeidung von Aspiration beim Anreichen von Nahrung und Flüssigkeit gelenkte Selbsterarbeitung von Wissen, z. B. mit Hilfe von Arbeitsblättern, Stationenlernen, Gruppenpuzzle
4 ... ergänzen die bereits bekannten Informationen zu der in der Fallsituation beschriebenen Bewohnerin zu einer Rollenbiografie und formulieren Hypothesen zu den Wünschen und Bedürfnissen der zu pflegenden Person in der Fallsituation Schritt 4-7: Gruppenarbeiten mit Bildung von jeweils zwei Partner*innengruppen; Erstellen der Rollenbiografie**/ Ergänzung der Dokumentationsunterlagen in der eigenen Gruppe (** Erarbeitung der Rollenbiografie kann durch einen entsprechenden Fragebogen unterstützt werden - die hier zu überlegenden Aspekte sollten über die in den Dokumentationsunterlagen aufgeführten hinausgehen und auch Erfahrungen, Einstellungen und Gefühle integrieren)
5 ... erarbeiten (konstruieren) auf der Grundlage dieser Rollenbiografie ideal geführte Dokumentationsunterlagen, die die situativ erforderlichen Informationen enthalten
6 ... lesen die Dokumentationsunterlagen einer anderen Arbeitsgruppe, identifizieren die dort erkennbaren Pflegeprobleme und Ressourcen und formulieren situativ geeignete Pflegeziele für die Pflegeaufgabe "Anreichen von Nahrung und Flüssigkeit" Pflegeprozessplanung (ABEDL "Essen und Trinken können") zum Arbeitsergebnis in der Partner*innengruppe erstellen
7 ... reichen Nahrung und Flüssigkeit an und achten dabei auf möglichst vielfältige Aspekte (sachgerechte Lagerung, eigene Arbeitshaltung, Beziehungs- und Interaktionsgestaltung, Wahrnehmung der Reaktionen der Bewohnerin, angemessenes Tempo, Durchführung der abschließenden Mundpflege, ...); geben sich jeweils Rückmeldungen aus unterschiedlichen Perspektiven Schritt 7-9: Simulationen im Rollenspiel (möglichst, soweit die Fallsituation das erfordert, mit Pflegebetten), die Rolle der Bewohnerin wird jeweils von einem Mitglied der Partner*innengruppe übernommen -> Evaluation im Austausch der Partner*innengruppen (ggf. moderiert durch Lehrperson !Teamteaching!); die Beobachtungen sollten perspektivengebunden zurückgemeldet werden. Alternative: Videodokumentation und Auswertung im Plenum - !Die Simulation sollte ausreichend lange dauern, damit die Zeitdehnung tatsächlich spürbar wird und diese Erfahrung für eine spätere Reflexion (Sequenz 7) zur Verfügung steht!
8 ... formulieren situationsbezogen Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Unterstützung beim Essen und Trinken und dokumentieren sie
9 ... geben sich wechselseitig Rückmeldung und dokumentieren insbesondere situativ gut gelungene Formulierungen und nonverbale Momente in der Interaktionsgestaltung
10 ... sammeln und dokumentieren ihre Erfahrungen Schritt 10 und 11: Dokumentation der Erfahrungen und Handlungsprinzipien bzw. Auswertung eines Videos im Plenum/ Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch (Tafelanschrieb/ Wandzeitung bzw. digitale Lernplattform der Klasse)
11 ... leiten Handlungsleitsätze für das Anreichen von Essen und Getränken bei bettlägerigen Menschen ab

Sequenz 3 - Pflegehandeln am Nationalen Expertenstandard „Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“ ausrichten

8 Std. (davon Kommunikation: - Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • benennen ihre Kompetenzgrenzen zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Ausbildung und wissen um die Kompetenzen, über die Pflegende verfügen müssen, bevor sie Aufgaben übernehmen; hier im Zusammenhang mit dem Anreichen von Nahrung und Flüssigkeit,
  • erklären den Begriff "Evidenz" sowie Grundgedanken der Evidenzbasierung von Pflegeinterventionen,
  • kennen und erklären den Nationalen Expertenstandard "Ernährungsmanagement ..." in seinem Aufbau, seinem wissenschaftlichen Begründungsrahmen und (exemplarisch) in Bezug auf die Umsetzung in Pflegeeinrichtungen,
  • definieren Mangelernährung – erklären Ursachen und Risiken, z. B. aufgrund von fieberhaften Erkrankungen - und den Zusammenhang zwischen Nährstoff- und Flüssigkeitsmangel und kognitiven Einschränkungen,
  • bestimmen den Nahrungs- und Flüssigkeitsbedarf älterer Menschen,
  • wenden Instrumente zum Screening von Risikofaktoren und zur Identifizierung der Anzeichen einer Mangelernährung an, ggf. mit tiefergehendem Assessment zur genauen Einschätzung der Ernährungssituation bei erkanntem Risiko,
  • können ein bedarfs- und bedürfnisorientiertes Speise- und Getränkeangebot zusammenstellen, das dem Risiko der Mangelernährung entgegenwirkt,
  • erläutern zentrale Aussagen (Zusammenfassungen von Studienergebnissen) im Expertenstandard zur Relation von pflegerischem Zeitaufwand und Mangelernährung bei älteren Menschen mit physischen oder kognitiven Einschränkungen,
  • (ggf. Binnendifferenzierung) kennen Strategien zum überblicksartigen Lesen und der gezielten Informationssuche in Texten und wenden sie an,
  • (ggf. Binnendifferenzierung) kennen Aufgaben und Pflichten der Institution zur Sicherung der Strukturqualität des Ernährungsmanagements (Mitarbeiter*innenqualifikation, Arbeitsorganisation …) und konstruieren einen entsprechenden fiktiven Ablauf für die Umsetzung des entwickelten Ernährungsplans.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... verstehen den Begriff der "Evidenz" in seinen Grundzügen und vollziehen die Kerngedanken/ den Anspruch von evidenzbasierter Pflege nach Lehrer*inkurzvortrag
2 ... bearbeiten das Übersichtsblatt zum Expertenstandard, indem sie Kategorien und Kriterien für die vertikale und horizontale Gliederung identifizieren und die Parallelen zu dem in früheren Unterrichten zum Pflegeprozess vermittelten Prinzip der vollständigen Handlung aufdecken Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch bzw. Einzel-/ Partner*innenarbeit mit Arbeitsauftrag -> Ergebnissicherung im Plenum
3 ... bestimmen, welche im Standard aufgeführten Kompetenzanforderungen sie bereits erfüllen und wo sie ihren Ausbildungsbedarf sehen Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch, ggf. Dokumentation über Tafelanschrieb bzw. auf der digitalen Lernplattform der Klasse
4 ... lesen die Kommentierungen zu den Standardkriterien S/P/E 3 und 4 (insbesondere P4) und ergänzen/ überarbeiten daran orientiert die bereits formulierten Handlungsleitsätze Einzel-/ Partner*innenarbeit (ggf. arbeitsteilig), Ergebnissicherung im Plenum (Ergänzung/ Vervollständigung von Handlungsleitsätzen, Sequenz 2, Schritt 11, die im Lernordner archiviert werden können)
5 ... erarbeiten zum Standardkriterium S/P/E 1 einen zusammenfassenden Überblick zum Phänomen Mangelernährung (Relevanz, Prävalenz, Ursachen, Risikofaktoren, mgl. Interventionen) visuell gestützter Lehrer*invortrag, Textinformation, Informationsvideo, ...
6 … erarbeiten Kenntnisse zur systematischen Erfassung der Ernährungssituation (Unterscheidung "Screening" – "Assessment") am Beispiel ausgewählter Instrumente Schritt 5-7: Arbeit in Kleingruppen - ggf. arbeitsteilig zum Vergleich unterschiedlicher Instrumente; Diskussion im Plenum
7 ... setzen diese Instrumente ein - zunächst ein Screening und bei den darin auffälligen Personen ein erweiterndes Assessmentinstrument Arbeit mit entsprechenden Ausschnitten (mit Informationen, die zu den ausgewählten Screening-/ Assessmentinstrumenten passen) aus Dokumentationsunterlagen von fiktiven Bewohner*innen
8 ... vergleichen und diskutieren die Ergebnisse
9 ... aktivieren ihre Kenntnisse der allgemeinen Ernährungslehre und erweitern diese, auch unter Zuhilfenahme der Kommentierung in den Standardkriterien S/P/E 3 und ggf. ausgewählter zugehöriger Quellen, um spezifische Aspekte für eine altersgerechte Ernährung, die dem Phänomen der Mangelernährung entgegenwirken Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch + Lehrer*invortrag bzw. Textmaterialien in Einzel-/ Partner*innenarbeit oder Stationenlernen
10 ... stellen für einen zu pflegenden Menschen, für den das Assessment das Risiko einer Mangelernährung ergeben hat, ein bedarfs- und bedürfnisorientiertes Speise- und Getränkeangebot zusammen Gruppenarbeit, auch als Leistungsüberprüfung denkbar
11 ... kennen Strategien zum überblicksartigen Lesen Lehrer*inkurzvortrag bzw. entsprechende Arbeitshinweise zu Schritt 15
12 ... sichten die Literaturstudie zum Expertenstandard hinsichtlich einer spezifischen Fragestellung ("Welche Erkenntnisse liegen zur Relation vom Zeitaufwand der Pflegenden und Mangelernährung vor?") Einzel- / Partner*innenarbeit mit anschließender Zusammenstellung der Ergebnisse im Plenum (kann ggf. auch z. T. in Binnendifferenzierung erfolgen - die Ergebnisse sollten allen Lernenden für Sequenz 7 zur Verfügung stehen)
13 ... verdeutlichen sich ggf. vertiefend den Anspruch an die Pflegenden und die Institution im Expertenstandard "Ernährungsmanagement ..." S/P/E 2 (Kommentierungen) und entwickeln hierzu einen Strukturplan zur Verfahrensregelung in einer Pflegeeinrichtung, um die in Schritt 7 individuell erstellten Angebote zu realisieren mögliche Erweiterung der Gruppenarbeit, besonders geeignet als Binnendifferenzierung
14 ... ggf. Ableitung eines Praxisauftrags für den Einsatz in der stationären Altenpflegehilfe oder auf einer internistischen / geriatrischen/ neurologischen ... Station in der Akutklinik

Sequenz 4 - Nahrungsaufnahme erzwingen? - (Dilemma zwischen Fürsorge/ Schutz des Lebens und Anerkennung von Autonomie)

3 Std. (davon Kommunikation: 3 (Kompetenzbereich II.3 "Ethisch reflektiert handeln") Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • erklären den Begriff Dilemma,
  • nennen Grundfragestellungen und -prinzipien ethischen Denkens und Handelns,
  • diskutieren ein ethisches Dilemma in einer regelgeleiteten Form,
  • erläutern am Beispiel dieses Falls Prinzipien und Notwendigkeit moralischer Urteilsbildung in der Pflege,
  • nennen unterschiedliche Positionen und Denkrichtungen der Ethik,
  • wenden ein theoretisches Modell zur Differenzierung der Qualität moralischer Urteile und Stufen in der Entwicklung moralischer Urteilsfähigkeit an, z. B. orientiert am Modell von Kohlberg,
  • reflektieren fallbezogen den Widerspruch zwischen Fürsorge bzw. Verantwortungsübernahme für das Leben und die Gesundheit der zu pflegenden Person auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Anerkennung von Autonomie und Willensäußerungen bzw. auch die Vermeidung von Bevormundung ,
  • wägen Argumente gegeneinander ab und priorisieren sie kriteriengeleitet,
  • reflektieren ihre begründete Entscheidung für die Durchführung von Interventionen und den Grad des dabei ausgeübten "Zwangs", z. B. durch intensivierte Überzeugungsarbeit.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... kennen/ wiederholen den Begriff "Dilemma" und benennen das in der konkreten Fallsituation enthaltene, ethische Kerndilemma durch Gegenüberstellung der zwei konkurrierenden, moralischen Prinzipen Unterrichtsgespräch -> Ableitung des Dilemmas
2 … finden argumentative Begründungen für die ethische Entscheidung im Fall nach dem Verfahren der Dilemmadiskussion: (a) positionieren sich in einer Probeabstimmung zu einer der beiden Positionen, (b) sammeln jeweils Argumente für ihre Position, (c) tragen wechselseitig ihre Argumente vor, (d) ordnen die Argumente der Gegenseite hinsichtlich ihrer Überzeugungskraft, (e) tragen die gefundenen Ordnungen der Argumente vor und vergleichen diese, (f) positionieren sich erneut, (g) geben ein Feedback zum Gesamtprozess Struktur der Dilemma-Diskussion (Lind 2003) wird durch Moderation vorgegeben, ebenso werden Diskussionsregeln möglichst exakt eingehalten (Lehrer*inrolle als Regelwächter*in); - zu (a) Bildung von zwei etwa gleichstarken Gruppen, die in Kleingruppen von ca. 4 Personen aufgeteilt werden - ergeben sich keine zwei gleichstarken Gruppen, die Fragestellung modifizieren (keine Scheinkontroversen!); - zu (b) Kleingruppenarbeit; - zu (c) Pro-/ Contra-Diskussion im Plenum/ oder Fishbowl-Diskussion -> Dokumentation der Argumente (Wandzeitung); - zu (d) bestehende Kleingruppen; - zu (e) Plenum; - zu (f) Schlussabstimmung; - zu (g) Blitzlicht; Arbeit mit Karten/ Textbändern, die unterschiedliche Abfolgen und Zuordnungen erlauben
3 ... reflektieren den Prozessverlauf der Dilemmadiskussion und der erfolgten Urteilsbildung und leiten daraus erste Grundfragestellungen und Prinzipien ethischen Denkens und Handelns ab, lernen Kriterien moralischer Urteilsbildung (z. B. Kohlberg) kennen und wenden diese auf die gefundenen Argumente an Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch -> Ableitung von Definitionen; Textarbeit und/ oder Kriterien auf Karten

Sequenz 5 - Die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme über eine perkutane, endoskopische Gastrostomie (PEG) sichern (fakultativ - in Abhängigkeit von den Erfordernissen in den Praxiseinrichtungen)

8 Std. (davon Kommunikation: - Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • kennen Formen und Möglichkeiten der künstlichen Ernährung, z.B. Versorgung durch eine PEG (Anlage einer PEG, Formen von Sondenkost, …),
  • erläutern die Verabreichung von Sondenkost und die pflegerische Versorgung der Bewohnerin bei liegender PEG,
  • kennen die Rechtsposition von Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen, z.B. im Zusammenhang mit der Entscheidung für eine PEG-Sonde,
  • wissen um die Handlungsschritte bei der Entscheidungsfindung für eine künstliche Ernährungsform,
  • tauschen sich über Gefühle und Gedanken aus, die die Vorstellung einer künstlichen Ernährung über PEG/ PEJ bei ihnen auslöst.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... tragen Gedanken und Gefühle zusammen, die die Vorstellung einer künstlichen Ernährung über PEG/ PEJ bei ihnen auslöst Brainstorming auf einer Wandzeitung, ggf. unterstützt durch eine Fotostrecke mit Bildern und Zitaten
2 ... aktivieren ihre Kenntnisse über die Anatomie/ Physiologie des Verdauungstraktes und erweitern und vertiefen diese in Bezug auf die Lage, den Aufbau und die physiologischen Vorgänge im Magen Schritt 2 und 3: Wissenserarbeitung, z. B. mit Hilfe von vorstrukturiertem oder selbständig zu strukturierendem Arbeitsmaterial oder auch Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch
3 ... informieren sich darüber, wie der Eingriff zum Legen einer percutanen endoskopischen Gastrostomie (PEG) erfolgt und kennen Indikationen/ Kontraindikationen für eine PEG sowie Risiken, Folgen und alternative Möglichkeiten künstlicher Ernährung
4 ... unterscheiden verschiedene Formen der Sondennahrung Schritt 4-8: Wissenserarbeitung - z. B. in der Form des Stationenlernens; hier kann auch Schritt 9 integriert werden, sofern die Auszubildenden sich im bisherigen Ausbildungsverlauf bereits grundsätzlich mit Rechtsfragen auseinandergesetzt haben
5 ... verabreichen Nahrung und Flüssigkeit über PEG fachgerecht
6 ... kennen die Prinzipien des Kostaufbaus nach dem Legen einer PEG
7 ... verabreichen Medikamente über PEG, sofern bereits eine Einführung in die orale Medikamentengabe erfolgt ist
8 ... führen die Körperpflege im Bereich der liegenden Sonde sowie den Verbandwechsel durch und beobachten den Wundheilungsverlauf, sofern die Versorgung aseptischer Wunden bereits erarbeitet wurde
9 ... erarbeiten sich die Rechtsposition von Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen im Zusammenhang mit der Entscheidung für eine PEG-Sonde Wissenserarbeitung - z. B. im Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch oder auch integriert in das Stationenlernen
10 ... entwerfen auf der Grundlage ihrer Kenntnisse einen Strukturplan/ Flowchart für den Prozess der Entscheidungsfindung und gleichen ihr Ergebnis mit einer bereits vorliegenden Empfehlung ab, z. B. AOK-Broschüre Partner*innen-/ Gruppenarbeit - die Aufgabe ist auch für eine Lernerfolgsüberprüfung einsetzbar

Sequenz 6 - Angehörige zu einer zentralen Frage in Verbindung mit der Fallsituation informieren

3 Std. (davon Kommunikation: 3 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • wiederholen ihre Kenntnisse zur Informationsgabe in formellen und informellen Gesprächssituationen,
  • bereiten ihr zur Fallsituation erarbeitetes Wissen für die Informationsgabe verständlich auf und festigen es dabei,
  • wenden ihre Kenntnisse zur didaktischen Strukturierung von Informationen fallbezogen an,
  • verstehen die Unsicherheiten und das Informationsbedürfnis von Angehörigen und schätzen den Informationsbedarf ein,
  • reagieren situativ auf unerwartete Fragen bzw. unerwartetes Verhalten.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... aktivieren ihre Kenntnisse zum Aufbau von Informations-/ Aufklärungsgesprächen Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch, Fragebogen
2 ... sammeln mögliche Fragen, die die Angehörigen der zu pflegenden Heimbewohnerin an das Pflegepersonal herantragen könnten und skizzieren die Situation; Alternative: ... lesen vorgegebene Situationen Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch bzw. vorgegebene Szenarien (mind. 3)
3 ... bereiten sich für ein Szenario inhaltlich und didaktisch vor, um das Informationsgespräch führen zu können Schritt 3-5: Vorbereitung in Dreiergruppen zu allen drei Aspekten
4 ... bereiten sich für ein Szenario aus der Perspektive der Angehörigen vor und definieren dabei z. B. deren Fragen/ Unsicherheiten/ Bedürfnisse, den Kenntnisstand, ihr Informationsbedürfnis und ihre Beziehungs-/ Kontaktwünsche
5 ... bereiten sich für ein Szenario vor, um aus der Beobachterperspektive Rückmeldung geben zu können
6 ... setzen die Informationsgespräche in Rollenspielen um und geben sich abschließend Rückmeldungen (inhaltlich/ didaktisch) Rollenspiele - Prinzip der Triadenarbeit und des Gruppenpuzzles (oder auch: Arbeit in 6er- bzw. 9er-Gruppen)
7 ... geben sich wechselseitig Rückmeldung (inhaltlich/ didaktisch)

Sequenz 7 - Begegnung mit Langsamkeit als persönliche Herausforderung

2 Std. (davon Kommunikation: 1 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • vollziehen verschiedene Erklärungsansätze für das Phänomen "Zeit" und die situativ unterschiedliche Zeitwahrnehmung nach,
  • tragen unterschiedliche Erklärungen für das Phänomen "Ungeduld" als komplexes Gefühl zusammen,
  • entwickeln Ansätze im Umgang mit unterschiedlichen Zeitrhythmen - den eigenen und den von anderen,
  • vergegenwärtigen sich die in Sequenz 3 erarbeiteten Argumente des Expertenstandards für die Erfordernis ausreichender Zeitressourcen für pflegerische Unterstützung beim Essen und Trinken,
  • beschreiben Situationen aus dem Berufsalltag, in denen bei ihnen ein Gefühl von Ungeduld und innerer Unruhe aufkommt und suchen Erklärungen für ihre persönlichen Muster,
  • tauschen sich über ihre jeweils entwickelten persönlichen Strategien zum Umgang mit aufkommender Ungeduld bei sich selbst und gegenüber anderen (zu pflegenden) Menschen aus,
  • reflektieren den Widerspruch zwischen dem Aufkommen von Ungeduld im Umgang mit der Langsamkeit einerseits und andererseits der Norm, ordentlich und gründlich sein zu wollen bzw. die Situation „aushalten zu müssen“,
  • reflektieren den strukturellen Widerspruch im Pflegehandeln zwischen einem grundsätzlich begrenzten Zeitbudget auf der einen Seite und dem Erleben einer scheinbar unbegrenzten Zeitdimension des gegenwärtigen Bedürfnisses der Klient*innen auf der anderen Seite,
  • identifizieren in einer ersten Annäherung den strukturellen Widerspruch zwischen Pflegequalität und begrenzten Mitteln.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... verdeutlichen sich den Verlauf der Lernsituation und die in Sequenz 1 jeweils zugeordneten Lernfragen und benennen die Erkenntnisse und Kompetenzen, die sie gewonnen haben - fachlich und in ihrer personalen/ sozialen Entwicklung Schritt 1-3: Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch
2 ... betrachten die in Sequenz 1 formulierten zentralen Probleme der Fallsituation bzw. die möglichen Schlüsselfragen, die sich die Verfasserin des Narrativs gestellt hat, und fokussieren - möglichst - das Problem aufkommender Ungeduld (ggf. verknüpft mit ihren Erfahrungen aus Sequenz 2 zu dieser Thematik bzw. zu den eigenen in Sequenz 1 dargestellten Narrativen) und bilden hierzu eine am Fall orientierte Schlüsselfrage (bzw. wählen diese aus)
3 ... aktivieren ihre Kenntnisse zur Emotionspsychologie und den Basis-Emotionen und bilden Hypothesen, wie das Gefühl der Ungeduld in diesem Kontext einzuordnen ist
4 ... folgen der Einladung in ein "literarisch-philosophisch-pflegewissenschaftliches-World-Café", diskutieren an verschiedenen "Tischdecken" verschiedene kurze Textzitate, die unterschiedliche Schlaglichter auf die Themen "Zeit(wahrnehmung)-(Un-)Geduld-Langsamkeit" werfen Schritt 4-6: World-Café mit verschiedenen Placemates, die als Diskussionsimpuls ein literarisches/ philosophisches/ pflegewissenschaftliches Textzitat vorgeben, das im Zusammenhang mit dem Erleben der Verfasserin des Narrativs steht
5 ... kommentieren das jeweilige Zitat nach jeder Diskussionsrunde - auch mit Blick auf die Fallsituation und die Schlüsselfrage - schriftlich auf der Placemate Kommentierung entsprechend der Kollegialen Beratung - Reflexionsmethode "Kurze Kommentare (Stellungnahme zum Geschehen abgeben) <- Was ist mir an den Inhalten bzw. der Art der Falldarstellung aufgefallen?"
6 ... die letzte Diskussionsgruppe fast jeweils einen Gesamtkommentar zum Narrativ aus der Perspektive des Zitats zusammen Zusammenfassung der Kommentierungen des World-Cafés im Plenum
7 ... formulieren ein die Lernsituation abschließendes persönliches Statement, welchen Schluss sie jeweils für ihren eigenen Umgang mit "Zeit - Zeitdruck - Ungeduld - herausfordernder Langsamkeit" im Pflegealltag ziehen Blitzlicht und/ oder Eintrag im Lerntagebuch

Hinweise zur Unterrichts-vorbereitung

Voraussetzungen, Weiterführungen, Alternativen

Voraussetzungen


Weiterführungen

Anhang

Entwicklung

Literatur

 

 

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