Gefühlswirrwarr aufdröseln

Emotionen in Prozessen der pflegerischen Interaktion reflektieren - Überblickswissen zur Emotionspsychologie erarbeiten sowie Grundprinzipien Kollegialer Beratung kennenlernen

Gliederung

Der Fall

Lernende bearbeiten selbst erlebte Fallsituationen aus dem ersten Praxiseinsatz.

Situations-merkmale

Zielgruppe

  • Pflegende / Lernende selbst

Pflegeanlass

  • nicht näher bestimmt

Lernsequenzen

Sequenz 1 - "Was mich bewegt hat" - Fallschilderungen von Erfahrungen aus der Praxis

2 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • kennen das Prinzip "Resonanz" und wenden es bewusst an,
  • nennen grundlegende Strukturierungs- und Ordnungsmodelle der Emotionspsychologie und ordnen eigene Erfahrungen ein,
  • nennen Ansätze der Affektregulation im Überblick,
  • formulieren persönliche Erlebnisse und emotional bewegende Momente aus dem ersten Praxiseinsatz mit Hilfe von Narrativen,
  • nehmen Gefühle, die eigene und fremde Praxiserzählungen bei ihnen assoziativ auslösen, wahr (spüren der "Resonanz" nach) und benennen sie.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... erinnern sich an den vergangenen Praxiseinsatz, an Umgebung, Ereignisse, Atmosphären und Stimmungen, die sie emotional bewegt haben und schreiben ein Narrativ (eine Erlebnisschilderung) zu einem Ereignis, dass sie besonders bewegt hat Arbeitsauftrag oder Phantasiereise als Vorbereitung zur Einzelarbeit
2 ... erzählen sich in Kleingruppen ihre Erlebnisse
3 ... schreiben zu jeder Erzählung alle Emotionen/ Gefühle und Eindrücke auf, die die Erzählung (als Zuhörende*r) bzw. das Ereignis (als Erzählende*r) in ihnen auslöst ("Resonanz") zu 3-5: Gruppenarbeit mit Bildung von "Gefühlsclustern", z. B. unter Verwendung von Begriffen, Emoticons, Lautmalerei, Metaphern o. ä, mit vorgefertigtem Material oder durch Kartenabfragen; das Prinzip der Resonanzbildung sollte dabei im Arbeitsauftrag deutlich werden, damit in Lernsequenz 3 ein Wiedererkennen dieser Reflexionsform im Sinne der Kollegialen Beratung möglich wird
4 ... tragen zu jedem Fall "Gefühlscluster" aus den geäußerten "Resonanzen" zusammen
5 ... stellen die "Gefühlscluster" zu den einzelnen Fällen auf Plakaten zu einem Gruppencluster zusammen
6 ... betrachten die Gruppencluster im Plenum gemeinsam in der Gesamtschau und identifizieren Unterschiede und Gemeinsamkeiten Kreisgespräch im Plenum
7 ... aktivieren ihr Vorwissen zu Grundemotionen und Mimik aus --> "Bedeutung und Merkmale pflegerischer Kommunikation" und erarbeiten eine Lernsituation, die sich auf eine der Grundemotionen bezieht zu 6-9: Unterrichtsgespräch mit integriertem Lehrer*invortrag
8 ... hören einen Kurzvortrag zu den Ansprüchen und dem Vorgehen der Emotionspsychologie, fokussieren die Basisemotionen (z. B. nach Ekmann - Angst/ Trauer/ Freude/ Überraschung/ Wut/ Ekel) und vollziehen die Erklärung für eine Unterscheidung in primäre und sekundäre Emotionen (Scham/ Schuld) nach
9 ... identifizieren die genannten Emotionen in ihren "Gefühlsclustern"
10 ... leiten aus dieser Erarbeitung Fragestellungen für eine intensivere, gezielte Auseinandersetzung mit einzelnen, für den Pflegeberuf relevanten, Emotionen ab

Sequenz 2 - Emotionen exemplarisch erklären - gewonnene Erklärungen und Möglichkeiten zur Emotionsregulierung ("Emotionsmanagement") fallbezogen anwenden

4 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • wenden ein Muster für die Erstellung einer Fallskizze ("Strukturhilfe für die Fallschilderung" orientiert am Modell der Kollegialen Beratung (Kocks et al. 2012) an (vgl. Anlage),
  • formulieren fallbezogen geeignete Schlüsselfragen (wie sie z. B. auch im Rahmen einer Kollegialen Beratung hilfreich sein können),
  • wenden Strategien zur gezielten Erarbeitung von Sachinformationen aus dem Bereich der Emotionspsychologie an,
  • benennen Anzeichen/ Merkmale, Ursachen und Erklärungsmodelle für die Entstehung einer ausgewählten Emotion und wenden sie auf die Fallskizze an,
  • erklären Strategien für die Affektregulation der näher untersuchten Emotion und entwickeln Vorschläge für einen Einsatz in der untersuchten Fallsituation,
  • verständigen sich auf eine erfahrungs-, interessens- und berufsbezogen begründete Auswahl einer emotional aufgeladenen Fallsituation,
  • vollziehen die Praxiserfahrungen nach und verständigen sich auf die darin enthaltenen, emotional bewegenden Momente,
  • wenden das Verfahren der "Assoziation" an und deuten die mit der Fallsituation assoziierten individuellen emotionalen Reaktionen im Kontext der Situation.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... betrachten die Gefühlscluster der vorangegangenen Stunde, identifizieren, welche Gefühle die Mitglieder ihrer Gruppe am stärksten beschäftigt haben und welche Emotion sie deshalb bearbeiten wollen zu 1-5: durch einen Arbeitsauftrag gesteuerte Gruppenarbeit (Aneignungs- und Erarbeitungsphase, die auf eine anschließende Veröffentlichung im Plenum ausgerichtet ist)
2 ... wählen einen Fall aus, in dem diese Emotion intensiv "mitgespielt" hat und erarbeiten hierzu die Fallskizze und eine möglichst auf das emotionale Erleben gerichtete Schlüsselfrage für die Fallskizze stehen in der Anlage zwei unterschiedliche Vorschläge für Arbeitsblätter zur Verfügung
3 ... verdeutlichen sich die in der Sequenz 1 vorgetragenen "Assoziationen", ergänzen diese ggf. weiter und überprüfen, inwiefern die zusammengetragenen Assoziationen für die Beantwortung der Schlüsselfrage hilfreich sein können für diesen Schritt sollte ein klarer Arbeitsauftrag formuliert sein, um die Anknüpfung an ein Reflexionsverfahren der Kollegialen Beratung abzusichern
4 ... stellen grundlegende Informationen zu den erarbeiteten Fragestellungen zusammen abhängig vom eingesetzten Stundenvolumen kann mit vorbereiteten Unterrichtsmaterialien oder mit selbständiger Wissensrecherche (Internet/ Bibliothek) gearbeitet werden, hier wäre auch eine Binnendifferenzierung möglich
5 ... versuchen mit Hilfe der erarbeiteten Informationen eine Antwort auf die Schlüsselfrage zu finden
6 ... differenzieren zwischen persönlichen Anteilen, die im Kreis der Gruppe bleiben sollen ("Schweigegelübde"/ Symbolik der "Schweigerose") und Erkenntnissen, die veröffentlicht werden können
7 ... bereiten ihre Erkenntnisse für ihre Mitschüler*innen auf und stellen dabei einen Fallbezug her (Handout, Plakat o.ä.)

Sequenz 3 - Vorstellung im Plenum - Transfer mit Einführung in das Konzept der Kollegialen Beratung

2 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)

didaktisch inhaltliche Zuordnung

Die Lernenden...

  • vollziehen die von Mitschüler*innen vorgestellten, vertiefenden Sachinformationen und Möglichkeiten der Affektregulation zu einer anderen/ derselben Emotion nach, klären Gemeinsamkeiten und Unterschiede,
  • nennen die Zielsetzung und Grundstruktur der Kollegialen Beratung und gewinnen einen Überblick über die Rollenverteilung und Verfahrensschritte,
  • kennen die Bedeutung des "Schweigegelübdes" und die Symbolik der "Schweigerose" zum Schutz der Vertraulichkeit im kollegialen Austausch,
  • ordnen die in dieser Lernsituation erarbeitete Form der Fallskizze und der Schlüsselfrage in das Vorgehen bei einer Kollegialen Beratung ein,
  • schätzen die Potenziale der Methode "Resonanzrunde" als eine mögliche Bearbeitungsform der Kollegialen Beratung ein,
  • verständigen sich über ihre Einschätzungen und Bedenken bezogen auf die Bearbeitung von emotional geprägten Problemsituationen im Rahmen eines Austauschs unter Kolleg*innen bzw. einer strukturierten Kollegialen Beratung.

didaktisch methodischer Verlauf

Die Lernenden... Methodik
1 ... stellen ihre Ergebnisse im Plenum vor, die inhaltlichen Erarbeitungen sollen allen Mitgliedern der Klasse zugänglich sein (Handout, Plakat, ...), die fallbezogene Anwendung nur insoweit, wie evtl. bestehende Schutzbedürfnisse ("das Schweigegelübde") nicht verletzt werden
2 ... lernen das Prinzip einer Kollegialen Beratung für Pflegeberufe kennen (Zielsetzung, Rollen - zunächst v. a. Fallerzähler*in/ Berater*in, Vorgehen in Schritten) Lehrer*inkurzvortrag (vgl. Beispielpräsentation in der Anlage, weiterführende Literaturhinweise zur Lernsituation "Kollegiale Beratung")
3 ... verdeutlichen sich die Prinzipien der Kollegialen Beratung mit Blick auf die in der Lernsituation gewonnenen Erfahrungen, etwa zur Falleingabe/ -skizze und zur Reflexionsmethode am Beispiel "Resonanzrunde" Textarbeit
4 ... haben die Möglichkeit, Gedanken (auch Bedenken) frei vorzubringen, die zunächst dokumentiert werden Plenumsdiskussion/ Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch
5 ... kennen weitere Lernsituationen im Curriculum, in denen das Prinzip der Kollegialen Beratung zur Anwendung kommen soll

Hinweise zur Unterrichts-vorbereitung

Voraussetzungen, Weiterführungen, Alternativen

Voraussetzungen


Weiterführungen


Parallelen

Anhang

Entwicklung


Dokumente

Didaktischer Kommentar

„Gefühlswirrwarr“ ist ein Begriff, der im Projektteam gefunden wurde, um die widerstreitenden Gefühle abzubilden, die die Lernenden zu Ausbildungsbeginn stark beschäftigten und auch in der Entwicklung von beruflicher Kompetenz erheblich beeinträchtigen können. Diese einerseits erfahrungsorientiert und andererseits systematisierend-rational aufgebaute Lernsituation soll den Lernenden helfen, eine erste Ordnung in das Chaos der eigenen Gefühle zu bringen, um diese reflektierter wahrnehmen zu können und so bewusster mit ihnen umzugehen. Auf dieser Grundlage soll es ihnen dann möglich werden, im nächsten Schritt auch auf die Gefühle anderer einzugehen und empathisch mit den zu pflegenden Menschen und deren Bezugspersonen zu interagieren.

Obwohl bis heute die Existenz von Basisemotionen und deren genaue Abgrenzung wissenschaftlich umstritten ist, wird hier davon ausgegangen, dass die Grundannahme ihrer Existenz und eine strukturierende Unterscheidung und Charakterisierung von für den Pflegeberuf zentralen Grundemotionen (z. B. Angst bzw. Furcht/ Trauer/ Freude/ Wut/ Ekel/ Verachtung/ ergänzt um: Scham/ Schuld) hilfreich für die Orientierung der Lernenden in ihrem eigenen Gefühlschaos sein kann. Die Einheit darf die Problematik des wissenschaftlichen Diskurses nicht verschweigen, soll aber trotzdem eine ordnende Systematisierung genauso wie die Neugier befördern, sich mit emotionspsychologischen Fragen auch weiterhin auseinanderzusetzen.

Die Erarbeitung beginnt mit einer Falldarstellung eigener Erfahrungen im Schutz von auf Vertrauen basierenden Kleingruppen und endet mit einer Kurzeinführung in die Kollegiale Beratung, die im weiteren Ausbildungsverlauf methodisch aufgegriffen wird.

Wichtig ist, dass die Lernenden immer wieder dazu angehalten werden,

ׅ     •   sich der Sensibilität des Umgangs mit Erfahrungen und Gefühlen bewusst zu werden,
ׅ     •   zwar so offen wie möglich mit ihren Erfahrungen und erfahrungsbezogenen emotionalen Reaktionen umzugehen,
ׅ         sich aber nur so weit zu öffnen, wie sie hierfür Vertrauen aufbringen können,
ׅ     •   das entgegengebrachte Vertrauen anderer zu akzeptieren und zu schützen,
ׅ     •   Grenzsetzungen unkommentiert anzunehmen, stehen zu lassen und nicht zu hinterfragen, (hierfür wird vorgeschlagen,
ׅ         das Prinzip „Schweigerose“ für die Kleingruppenarbeit  einzuführen – die Gruppenarbeitsergebnisse dürfen und sollen
ׅ         einen Abstraktionsgrad erreichen, der den Schutzraum aller Gruppenmitglieder wahrt).

Literatur

Literaturhinweise zur Kollegialen Beratung werden in Verbindung mit der Kollegialen Beratung aufgeführt.

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