Menschen zum Handeln anleiten
Anleitung/ Instruktion von zu pflegenden Menschen (bzw. ihren Angehörigen) bei der Durchführung von unbekannten Handlungsabläufen in der Selbst- / Fremdversorgung - Einstieg in Aufgaben der Information/ Schulung/ Beratung
Situations-merkmale
Pflegeanlass
- Unselbstständigkeit in der Selbstversorgung
- nicht näher bestimmt
Lernsequenzen
Sequenz 1 - Definition und Zielsetzung von Anleitung/ Instruktion und Verabredung der Selbsterarbeitungsphase
0,5 - 1 Std. (davon Kommunikation: 0,5 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- erklären den Begriff der Instruktion/ Anleitung,
- berichten von Situationen, in denen sie in der letzten Zeit Instruktionen erfahren haben,
- unterscheiden gut gelungene und weniger gelungene Instruktionen aus ihrem eigenen Erleben heraus,
- identifizieren erste Merkmale für eine gute Instruktion,
- sammeln Situationen, in denen sie im Pflegealltag gefordert sein könnten, eine Instruktion zu geben,
- umreißen die praktischen Handlungsaufgaben und ihre Zielsetzungen, die Gegenstand der vorzubereitenden Anleitung sind und wählen eine für sie nicht bekannte gezielt aus.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... lernen eine Definition zum Begriff der Anleitung / Instruktion kennen |
Lehrer*invortrag |
2 |
... unterscheiden Anleitungen im Ausbildungskontext (im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme) von Anleitungen / Instruktionen im Pflegekontext - zur Stärkung von Alltagskompetenzen |
Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch |
3 |
... sammeln Situationen, in denen sie in der letzten Zeit selbst Anleitung/ Instruktionen erfahren haben |
Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch |
4 |
... unterscheiden dabei gut gelungene und weniger gelungene Instruktionen und tragen erste Merkmale für eine gute Anleitung/ Instruktion zusammen |
Wandzeitung (Magic Charts)/ Karten bzw. Nutzung der in der Schule zur Verfügung stehenden digitalen Medien und der Lernplattform |
5 |
... entwickeln konkrete Ideen von Situationen, in denen sie im Pflegealltag gefordert sein könnten, anzuleiten/ zu instruieren |
Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch |
6 |
... sind über die praktischen Handlungsaufgaben, die Gegenstand der vorzubereitenden Anleitung/ Instruktion sind, informiert |
Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch mit dem Ziel der Bildung von 6 Arbeitsgruppen (zu jedem Handlungsablauf 2 Gruppen) - Aufgabenvorschläge: z. B. präoperative Vorbereitung von Patient*innen für das Aufstehen nach einer Bauch-Operation (vgl. Achinger/ Steenbrügge 2002); Anleitung einer/ eines Angehörigen für die Durchführung einer Haarwäsche im Bett (vgl. Weiler 2000) ... |
7 |
... tragen ihre Erfahrungen/ ihr Vorwissen zu diesen Handlungsaufgaben zusammen und entscheiden sich für eine Aufgabe (nach Möglichkeit, aber nicht zwingend, sollte diese für sie neu sein) |
Bildung von Arbeitsgruppen |
Sequenz 2 - Selbsterarbeitung des Handlungsablaufs
2 Std. (davon Kommunikation: 0,5 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- verabreden, wie sie die Selbsterarbeitung gut umsetzen können,
- vollziehen schriftliche/ visuell gegebene Handlungsschritte nach, lösen ggf. Unklarheiten auf und setzen den Handlungsablauf um,
- entwickeln notwendige Planungsschritte für eine durchzuführende Instruktion,
- planen den Umgebungsaufbau, die Materialorganisation, den korrekten Handlungsablauf und Kernformulierungen für die Anleitung,
- identifizieren und tauschen sich über Schwierigkeiten aus, die sie beim Nachvollziehen des Handlungsablaufs bei sich und den anderen Gruppenmitgliedern entdecken, und leiten daraus potenzielle Probleme der anzuleitenden Personen ab.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... lesen das Instruktionsmaterial und versuchen gemeinsam, den Umgebungsaufbau, die Materialorganisation und den korrekten Handlungsablauf - zunächst gedanklich - nachzuvollziehen |
zu 1-6:
praktische Selbsterarbeitung und Problemlösung in Kleingruppen - Handlungsanweisungen über entsprechende Arbeitspapiere/ digital vermittelte Anweisungen; Begleitung der Arbeitsgruppen durch die Lehrkraft |
2 |
... diskutieren Unklarheiten und versuchen, Probleme möglichst selbständig zu lösen |
Lehrperson steht für Rückfragen zur Verfügung |
3 |
... korrigieren sich gegenseitig und versuchen, Sicherheit im Handlungsablauf zu finden |
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4 |
... identifizieren Schwierigkeiten, die sie beim Nachvollziehen des Handlungsablaufs bei sich und den anderen Gruppenmitgliedern wahrgenommen haben |
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5 |
... leiten aus ihren Erfahrungen mit der Handlung eine Strategie ab, wie sie diese einer anderen Person vermitteln wollen und planen den Ablauf der Instruktion |
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6 |
... verabreden, wer aus der Gruppe die Instruktion durchführt und spielen einen "Probelauf" durch |
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Sequenz 3 - Instruktion zum erarbeiteten Handlungsablauf geben
2 Std. (davon Kommunikation: 1,5 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- führen eine geplante Instruktion mit einer Person einer anderen Lerngruppe durch, für die der Handlungsablauf neu ist,
- beschreiben erfolgreiche bzw. problematische Momente in der Anleitungssituation,
- leiten Kriterien für eine gelungene Instruktion ab,
- tauschen sich über die Instruktion aus den unterschiedlichen Perspektiven der Teilnehmenden aus und diskutieren die verschiedenen Blickwinkel und Erfahrungen.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... führen die geplante Anleitung/ Instruktion mit einer Person aus einer anderen Lerngruppe durch, für die der Handlungsablauf neu ist |
ggf. übernimmt die anzuleitende/ zu instruierende Person eine Rolle, die auf einer Rollenkarte charakterisiert ist - diese könnte mit geringfügigen Verständigungsschwierigkeiten, z. B. Einschränkungen der Hör-/ Sehfähigkeit oder der Beweglichkeit, gekennzeichnet sein; -> ggf. kann die jeweilige Anleitungssequenz als Videodokument aufgezeichnet werden |
2 |
... evaluieren die Anleitung/ Instruktion aus den unterschiedlichen Perspektiven (instruierte bzw. instruierende Person, Beobachter aus den Gruppen, denen der Ablauf fremd ist sowie Beobachter aus den Gruppen, denen der Ablauf vertraut ist) |
Evaluationsgespräch in den Kleingruppen bzw. zu einer exemplarisch ausgewählten Videodokumentation im Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch im Plenum |
3 |
... bilden Hypothesen für erfolgreiche bzw. problematische Momente in den Anleitungs-/ Instruktionssituationen |
Evaluationsgespräch s.o. (Kleingruppe bzw. Plenum) |
4 |
... halten im Prozess gewonnene, wichtige Erkenntnisse für die Durchführung einer Anleitung/ Instruktion fest |
Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch mit Moderationskarten bzw. mit Hilfe der in der Schule zur Verfügung stehenden digitalen Medien |
Sequenz 4 - Ergebnissicherung
0,5 - 1 Std. (davon Kommunikation: 0,5 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- vergleichen die entwickelten Kriterien vor dem Hintergrund eines in der Fachliteratur vorgestellten Anleitungsmodells,
- dokumentieren einen Konsens ihrer Ergebnisse als Handlungsleitfaden,
- tauschen sich über ihre Erfahrungen in den Anleitungs-/ Instruktionsprozessen aus.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... ergänzen bzw. korrigieren die zu Beginn der Lerneinheit formulierten Kriterien für eine gute Anleitung/ Instruktion |
Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch - vervollständigen der Kartenabfrage |
2 |
... hören einen Kurzvortrag zum Cognitive-Apprenticeship-Modell |
Lehrer*invortrag |
3 |
... überprüfen/ diskutieren/ ergänzen die im Prozess gewonnenen Kriterien vor dem Hintergrund dieses in der Fachliteratur vorgestellten Anleitungsmodells |
Lehrer*invortrag - Plenumsdiskussion und Ergänzung der Wandzeitung (bzw. Dokumentation mit Hilfe der in der Schule genutzten Lernplattform) |
4 |
... verabreden, wie die Ergebnissicherung erfolgen kann, damit in späteren Lernsituationen daran angeknüpft werden kann |
Ergebnissicherung (Foto, Protokoll, Nutzung der in der Schule zur Verfügung stehenden digitalen Medien …) |
Hinweise zur Unterrichts-vorbereitung
- Gruppenräume für Sequenz 2 und Sequenz 3, die Platz für die praktische Umsetzung der gewählten Handlungen bieten, z. B. Skillslab.
- Ggf. Möglichkeiten für Videoaufzeichnung (in Sequenz 3) und exemplarische Videoauswertung (in Sequenz 4).
Voraussetzungen, Weiterführungen, Alternativen
Voraussetzungen
- Die Lernsituation steht am Beginn der Ausbildung.
Weiterführungen
- Im 1. Semester ist aufbauend in –> Frau Mauerhoff, Sequenz 4, geplant, dass die Lernenden die Menschen, die im Verstehen und in ihrer Handlungsplanung eingeschränkt sind, bei der Durchführung vormals bekannter Handlungsabläufe anleiten.
- Mit –> Informationen geben erarbeiten sich die Lernenden zu Beginn des zweiten Semesters die Prinzipien, um Menschen mit Pflegebedarf oder ihren Angehörigen Informationen zu gesundheits-/ pflegebezogenen Aspekten zu erläutern.
- Diese Grundkompetenzen im Führen von Informationsgesprächen werden im Verlauf der Ausbildung wiederholt aufgegriffen und die Anforderungen systematisch gesteigert in Bezug auf unterschiedliche Informationsinhalte mit steigendem Schwierigkeitsgrad, z. B. in –> Ingos Tagebuch/ Blog zu verschiedenen chirurgischen Eingriffen, in –> Tourenplanung und Begegnungen von Haus zu Haus zur Prävention einer Thrombose und zur Veränderung des Lebensstils bei Diagnose von Diabetes mellitus, in –> Henriette Schulz zur Lebensführung bei einer komplexen internistischen Gesundheitsbeeinträchtigung, in –> Sprachlos zur präoperativen Vorbereitung auf eine Laryngektomie. Außerdem werden die Zielgruppen variiert, z. B. in –> Auf der Eltern-Kind-Station Information und Anleitung von Eltern in der Versorgung ihres Neugeborenen und in –> Lucca und Paula auf der HNO bzw. –> Leon Informationsgespräche mit Kindern in einer altersgerechten Sprache. Dabei sollten auch zunehmend Störfaktoren, die die Informationsgabe beeinträchtigen, berücksichtigt werden, z. B. in –> Meine Bauchspeicheldrüse kann mich mal die grundsätzliche Ablehnung einer chronischen Erkrankung durch eine jugendliche Patientin, oder eine Körperbildstörung und Selbstekel bei der Stomaversorgung in –> Ich kann da gar nicht hinschauen.
- Parallel werden im 2. Semester im Anschluss an diese Lernsituation zum Führen von Informationsgesprächen mit –> In den Schuhen der Anderen, –> Personenzentriert kommunizieren, –> Anleiten, Informieren, Schulen, Beraten theoretische Grundlagen und Skills in der Gesprächsführung vermittelt, die zunächst in der Kollegialen Beratung zur Anwendung und Selbsterfahrung kommen sollen.
- Zum Ende des 3. Semesters und im 4. Semester wird die Informationsgabe mit dem Konzept der Mikroschulung verknüpft, um den Lernenden zusätzliches Handwerkszeug für die Durchführung einer strukturierten, formellen Informationsgabe an die Hand zu geben.
- Auf die Kompetenz zur Informationsgabe aufbauend wird im 4. Semester in –> Partnerschaftliche Entscheidungsfindung die gezielte Recherche und Übermittlung von Wissensinhalten zu einer durch die zu pflegenden Menschen thematisierten Entscheidungsproblematik angesprochen und praxisbezogen umgesetzt.
- Das Angebot, die Konzeption und Durchführung eines ergebnisoffenen, auf die Integration von Wissen zielenden Beratungsgesprächs in der Pflege wird z. B. im 5. Semester zum Umgang mit einer bestehenden Urininkontinenz in –> Herr Becker und Frau Gerwien thematisiert.
- Weiterhin werden in verschiedenen Lernsituationen im letzten Ausbildungsabschnitt auch die persönlichen, situativen und institutionellen Grenzen von Beratungsinterventionen im Pflegealltag reflektiert, z. B. –> Ich halte das nicht mehr aus!, –> Eine ganz schwierige Patientin.
Anhang
Entwicklung
- Eigene Entwicklung des Projektteams unter Einbeziehung von Erarbeitungen der Mitarbeiter*innen der Modellschule Gesundheitsakademie Weingarten (J. Heber, J. Jäggle, J. Gorjan, M. Fischer).
Didaktischer Kommentar
Die Lerneinheit steht am Anfang der Ausbildung und soll in den Bereich Edukation/ Beratung in der Pflege einführen. Intendiert ist, dass die Lernenden zunächst die Aufgabe, jemanden zu „beraten“ – in diesem Fall sie oder ihn zu instruieren bzw. zu einer konkreten Handlungsdurchführung anzuleiten – als einen wichtigen Teil der direkten pflegerischen Interaktion anerkennen. Dafür werden realistische Situationen aus dem Pflegekontext (und bewusst nicht aus dem Ausbildungskontext, vgl. Ewers 2001) ausgesucht. Auch werden solche Pflegeinterventionen ausgewählt, die zwar im Zusammenhang mit bisherigen/ parallelen Unterrichtsinhalten stehen, den Lernenden aber bislang unbekannt sind, damit sie an sich selbst überprüfen können, wie nachvollziehbar die Instruktion gestaltet wird. Hierfür sollen sie sich zunächst jeweils eine Handlung in aufgabendifferenzierten Lerngruppen anhand von schriftlichen bzw. illustrierten Instruktionsanweisungen selbst erschließen, diesen Prozess reflektieren (Nebeneffekt: Etablierung von Fähigkeiten für lebenslanges Lernen) und aus der Reflektion Überlegungen für den Aufbau der Instruktion von jemandem, dem die Handlung nicht vertraut ist, ableiten.
Auf der Basis der Evaluation dieser Planungsüberlegungen und ihrer (exemplarischen) Durchführung sollen die Lernenden Grundsätze für den Anleitungsprozess ableiten. Diese werden mit einem am Cognitive-Apprenticeship-Modell (Collins et al. 1989) orientierten Instruktionsablauf (vgl. Muster-Wäbs/ Schneider 2005: 174) abgeglichen.
Literatur
- Collins, A.; Brown, J. S.; Newman, S. E. (1989): Cognitive apprenticeship: Teaching the crafts of reading, writing, and mathematics. In Lauren B. Resnick (Hrsg.): Knowing, learning, and instruction: Essays in honor of Robert Glaser. Hillsdale, New Jersey: Lawrence Erlbaum, 453–494.
- Ewers, M. (2001): Anleitung als Aufgabe der Pflege. Ergebnisse einer Literaturanalyse. Bielefeld: Veröffentlichungsreihe des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW), 1-115. Online: https://www.uni-bielefeld.de/gesundhw/ag6/downloads/ipw-115.pdf (05. Mai 2017).
- Fachstelle Careum (Hrsg.) (2006): Skillsunits für Gesundheitsberufe. Instruktion. Patientenedukation. Skillsunit-Reihe, Band 4. Zürich: Careum.
- Heber, J.; Jäggle, J.; Gorjan, J.; Fischer, M. (2016): Kompetenztraining „Instruktion“. Manuskript Ravensburg, unveröffentlicht.
- Muster-Wäbs, H.; Schneider, K. (2005): Berufspädagogische und didaktische Grundlagen. In: Poser, M.; Schneider, K. (Hrsg.): Leiten, Lehren und Beraten. Bern: Hans Huber, 157-198.
- Poser, M.; Schneider, K. (Hrsg.) (2005): Leiten, Lehren und Beraten. Bern: Hans Huber.
- Stalmeijer, R.; Dolmans, D.; Wolfhagen, I.; Scherpbier, A. (2009): Cognitive apprenticeship in clinical practice: can it stimulate learning in the opinion of students? In: Advances in Health Science Education, 14 (4), 535–546. Online: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2744784/ (05. Mai 2017).
zu den Praktische Handlungsbeispielen für die ÜBUNGSEINHEITEN: