Leon
Kinder und ihre Eltern im Krankenhaus unterstützen und die eigene Rolle als Pflegefachfrau/ Pflegefachmann im Arbeitsfeld der Pädiatrie reflektieren
Der Fall
Corinna, 2. Ausbildungsjahr in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege, berichtet:
„Im Moment bin ich auf der Kinderchirurgie eingesetzt. Ein Patient von mir ist Leon, er ist fast 2 Jahre alt und wurde gestern aufgenommen. Er hatte einen Abszess an der linken Hand, der gestern operativ eröffnet wurde.
Es ist alles gut verlaufen, man muss die Wunde spülen und regelmäßig seinen Verband kontrollieren. Die Antibiose bekommt er i. v. . Er hat hierfür am rechten Handrücken eine Braunüle liegen.
Insgesamt ist Leon sehr ängstlich, was Ärzte und Pflegepersonal angeht. Obwohl Leon für den Verbandwechsel sediert wird, fängt er sofort an zu weinen und zu schreien und versteckt sich bei seiner Mutter. Zudem wehrt er sich gegen jegliche pflegerischen und medizinischen Maßnahmen, sobald eine Person mit weißer Kleidung den Raum betritt. Das macht das Kontrollieren der Wunde und der Verbände sehr schwierig. Dabei muss ihn die Mutter jedes Mal gegen seinen Willen festhalten und meist wird sogar eine zweite Person benötigt, die ihr dabei hilft. Leon ist dann immer ganz außer sich und möchte aus der Situation entkommen, was die sorgfältige Pflege und Begutachtung der Wunde und des venösen Zugangs einschränkt. Für mich waren diese Situationen immer besonders belastend, da ich den Jungen gegen seinen Willen festhalten musste und ihm dabei teilweise vermutlich auch weh getan habe.“
Situations-merkmale
Zielgruppe
- Kinder (2 - 10 Jahre)
- Partnerschaft, soziale Bezugspersonen, Familien
- Pflegende / Lernende selbst
Pflegeanlass
- Einschränkung in der Kommunikation
- Kommunikations- / Informations-/ Beratungsbedarf
- chirurgischer Eingriff
Lernsequenzen
Sequenz 1 - Kinder im Krankenhaus - Erfahrungen und Sichtweisen
2 Std. (davon Kommunikation: 0 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- verständigen sich über eigene Erfahrungen mit Krankheit und Krankenhausaufenthalten im Kindesalter bzw. im Umgang mit kranken Kindern in diesen Situationen, über ihre eigenen Ängste im Kindesalter und die Erfahrungen mit Reaktionen von Erwachsenen,
- tauschen sich über ihre Erfahrungen mit Ängsten und Schmerzen im Kindesalter und den in ihren Familien üblichen Umgang mit Schmerzen und Ängsten aus,
- entwickeln individuelle persönliche Hypothesen, wie der familiär und durch andere Erfahrungen geprägte Umgang mit Krankheit, Krankenhaus, Angst und Schmerzen ihre heutige Einstellung zum eigenen und fremden Krankheitserleben beeinflusst haben könnte,
- verständigen sich über ihr persönliches Bild von den Aufgaben und der Rolle von Pflegekräften in der Pädiatrie.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
...erinnern sich an Situationen, in denen sie selbst krank waren |
Phantasiereise oder Impuls, z. B. über eine Kindergeschichte/ Bilderbuch |
2 |
... berichten von Krankenhauserfahrungen als Kind oder auch als Bezugsperson von kranken Kindern, identifizieren zentrale Themen, insbesondere die mit Angst besetzten Reaktionen, und entdecken typische Muster, sowohl allgemein betrachtet für den Umgang mit Kindern in diesen Situationen als auch persönlich bzw. biografisch |
Austausch in Kleingruppen (Wohlfühlgruppen) - Auswahl und Vorstellung einer typischen Situation im Plenum, sofern die Bereitschaft zur Veröffentlichung besteht |
3 |
... sammeln Hypothesen, wie der familiär und durch andere Erfahrungen geprägte Umgang mit Krankheit, Krankenhaus, Angst und Schmerzen die berufliche Einstellung zum eigenen und fremden Krankheitserleben und zu Ängsten und Schmerzen prägen könnte |
Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch |
4 |
... lesen/ kommentieren Statements zu "Kinderkrankenpflege" und formulieren dabei ihre eigene Einstellung zu diesem Aufgabenbereich ("Kinderkrankenpfleger*innen sind ...") |
Schreibgespräch |
5 |
... lesen die Fallsituation von Leon, formulieren Lernfragen |
Kleingruppen / Metaplankarten |
6 |
... kennen die Struktur der Lernsituation |
Wandzeitung |
Sequenz 2 - Leons Angst
5 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- erklären Angst aus psychologischer Sicht/ aus pflegetheoretischer Sicht,
- nennen entwicklungspsychologische Hintergründe zu angstauslösenden Faktoren und zum Umgang mit Angst in unterschiedlichen Entwicklungsphasen von Kindern,
- nennen Ausdrucksebenen und Merkmale von Angst,
- erläutern "medical fear" als eigenständige Kategorie mit spezifischen Ausdrucksformen,
- nennen lerntheoretische Aspekte zur Evozierung von Angst und zu Ansatzpunkten, kindlicher Angst zu begegnen,
- erklären die Bedeutung des Spiels und Möglichkeiten der Ablenkung von Kindern im Krankenhaus,
- wenden unterschiedliche Medien zur Ablenkung, z. B. "Wolly" oder "Schnobbel", oder zur Belohnung, z. B. die "Tapferkeitsurkunde", an,
- nennen Wirkungen von Sedativa im Kindesalter, Risiken und unerwünschte Nebenwirkungen,
- identifizieren Regeln zum Umgang mit Angst von Kindern,
- tauschen sich (in Ergänzung zu Sequenz 1) über eigene Ängste im Kindesalter und Erfahrungen mit Reaktionen von Erwachsenen aus.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... erarbeiten unterschiedliche Sichtweisen auf das Phänomen Angst und identifizieren, welche Erklärungen sie jeweils für Situationen kindlicher Angst bieten können |
themendifferenzierte Kleingruppenarbeit mit Gruppenpuzzle für 4 Entwicklungsalter |
2 |
... aktivieren und erweitern ihre Kenntnisse der Entwicklungspsychologie der ersten zehn Lebensjahre im Hinblick auf die kognitive Entwicklung bzw. Gedankenwelt der Kinder, die Sprachentwicklung, die emotionale Entwicklung (insbesondere zu Angst/ Ängstlichkeit/ "medical fear"), die Fähigkeit zur Emotionsregulation sowie die Entwicklung des Selbstkonzepts
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themendifferenzierte Kleingruppenarbeit mit Gruppenpuzzle für 4 Entwicklungsalter |
3 |
... lesen exemplarisch die Fallsituation "Kinderarztvisite" und beantworten die Fragen: Wie gehen Corinna (und der Arzt) mit Leon um? Inwiefern beziehen sie dabei bewusst oder unbewusst theoretische Erkenntnisse ein? (vgl. Schritt 1 und 2) |
Partner*innenarbeit am Textmaterial (vgl. Anlage "Situationsbeispiel ...") |
4 |
... tragen zusammen, welche weiteren Handlungsmöglichkeiten bei Leon zum Erfolg führen könnten, sichten hierzu Materialien, die in den Kliniken zur Verfügung stehen |
Partner*innenarbeit am Textmaterial |
5 |
... informieren sich über die Wirkungen und Nebenwirkungen von Sedativa in verschiedenen Entwicklungsaltern |
Lehrer*invortrag/ Arbeitstexte, Ergebnissicherung im Plenum, z. B. Wandzeitung |
6 |
... erarbeiten einen Handlungskatalog mit Empfehlungen für die Interaktion von Pflegenden mit Kindern in den ersten zehn Lebensjahren |
Kleingruppenarbeit zu 4 Entwicklungsaltern (2 Jahre, 4 Jahre, 6 Jahre, 10 Jahre) |
Sequenz 3 - Leon postoperativ versorgen und dabei auf ihn und seine Ängste eingehen
3 Std. (davon Kommunikation: 1 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- nennen und erklären Grundlagen und Abläufe der Wundversorgung - Wdh. bzw. fallbezogene Vermittlung von Grundlagen,
- nennen Möglichkeiten des Schmerzassessments und medizinische/ pflegerische Interventionen in akuten Schmerzsituationen - Wdh. bzw. fallbezogene Anwendung, sofern möglich,
- erklären den Zusammenhang zwischen Angst und Schmerzempfinden - sofern entsprechende Vorkenntnisse zum Thema Schmerz bestehen,
- erklären den regelgeleiteten Ablauf des Verbandwechsels in dieser spezifischen Fallsituation,
- verständigen sich über die Situation des kleinen Leon und reagieren situativ auf sein Verhalten.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... planen den Ablauf der Wundversorgung, aktivieren ihre Kenntnisse zur Wundversorgung aus dem vorangegangenen Unterricht, ggf. auch ihre Kenntnisse zum Umgang mit Schmerzen bei Kindern, analysieren die Wunddokumentation, stellen die erforderlichen Materialien zusammen und planen den Handlungsablauf
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Kleingruppenarbeit mit gewählter Gruppensprecherin/ gewähltem Gruppensprecher |
2 |
... überlegen anhand ihrer Erkenntnisse aus Sequenz 2, wie sie mit Leon agieren und ihm begegnen wollen |
Kleingruppenarbeit mit gewählter Gruppensprecherin/ gewähltem Gruppensprecher |
3 |
... simulieren die Versorgung in einer Interaktion mit der Lehrkraft (+ Puppe) und erfahren auf jeden Interaktionsvorschlag unmittelbar die Reaktion. Den Prinzipien einer Simulation entsprechend kann jeder Schritt angehalten und auf einem anderen Weg wiederholt werden, um so das Handlungsrepertoire zu erweitern und zu optimieren |
Simulation im Plenum, wobei jeweils die Gruppensprecher*innen agieren und die Gruppen als reflektierendes Team beobachten und unterstützen |
4 |
... ergänzen und verändern ggf. den in Sequenz 2 entwickelten Handlungskatalog für die Gruppe der 1½- bis 2½-jährigen Kinder |
Ergebnissicherung im Plenum, Überarbeitung der Wandzeitung |
Sequenz 4 - Eltern einbeziehen und unterstützen
4 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- nennen die Aufgaben und Rechte von Eltern in Bezug auf die gesundheitliche Versorgung von Kindern,
- nennen die Rechte des Kindes und seiner Eltern/ Bezugspersonen im Krankenhaus in Verbindung mit der Durchführung von medizinischen und pflegerischen Maßnahmen,
- nennen Prinzipien für den Umgang mit den Eltern/ den Bezugspersonen für den Krankenhausaufenthalt,
- erklären den Begriff der Bindung und seine Bedeutung für die Entwicklung des Kindes,
- erklären den Begriff der Autonomie und seine Bedeutung in Verbindung mit der Entwicklungsphase "Autonomiealter",
- identifizieren Erkenntnisse zu den Auswirkungen und Besonderheiten eines Krankenhausaufenthaltes für Kinder und Eltern,
- erklären die Rolle der Eltern während des Krankenhausaufenthaltes, insbesondere im Hinblick auf Angstreduktion und Regeln zum Umgang mit den Bezugspersonen,
- erklären die Funktion von und das Vorgehen bei einem Informationsgespräch,
- verständigen sich über mögliche Gefühle der Eltern, wie Angst, Hilflosigkeit, Schuld/ schlechtes Gewissen,
- verständigen sich über Möglichkeiten, auf die Emotionen der Eltern verständnisvoll einzugehen,
- verständigen sich über Möglichkeiten und Begrenzungen, die Mutter in die Versorgung von Leon gezielt einzubeziehen.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... informieren sich über die rechtlichen Regelungen für Kinder und Eltern während eines Krankenhausaufenthalts |
Lehrer*invortrag und / oder Textarbeit |
2 |
... vergegenwärtigen sich ihre Ergebnisse aus der Einstiegsrunde und wechseln hierzu die Perspektive: Wie könnten die Eltern diese Situationen wahrgenommen haben? |
Arbeit in 5 Kleingruppen |
3 |
... wiederholen/ vertiefen ihre Kenntnisse zur Bindungstheorie und zum Autonomiealter |
Arbeit in 5 Kleingruppen |
4 |
... entwickeln auf der Grundlage der Erfahrungen und Theoriekenntnisse eine (vorläufige) Typologie von 5 möglichen unterschiedlichen Eltern-/ Mütterreaktionen bzg. des Krankenhausaufenthaltes ihres Kindes (bei einer nicht lebensbedrohlichen Ausgangslage) |
Zwischenergebnis im Plenum |
5 |
... formulieren für jeweils einen "Typus" eine Rollenbeschreibung für Leons Mutter und aus dieser Perspektive eine Mitteilung an die Station, wie sie sich die Behandlung ihres Kindes wünschen würde |
Kleingruppenarbeit |
6 |
... stellen die Mitteilungen vor und arbeiten Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus |
Zwischenergebnis im Plenum |
7 |
... konzipieren Informationsgespräche, die den Erwartungen verschiedener Mütter gerecht werden könnten und führen sie durch |
Kleingruppenarbeit, Rollenspiele |
8 |
... leiten Prinzipien für den Umgang mit Eltern während eines Krankenhausaufenthalts ab |
Ergebnissicherung im Plenum, z. B. Wandzeitung |
Sequenz 5 - Kranke Kinder pflegen - persönliche Herausforderung und Aufgabe
4 Std. (davon Kommunikation: 2 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- nennen Definitionen der Rolle von Pflegenden in der Pädiatrie,
- tauschen sich über ihre Erfahrungen aus ihrer Kindheit zum Umgang mit Schmerzen und Angst aus,
- verständigen sich über ihre Gefühle und Reaktionen im Umgang mit sich wehrenden schreienden Kindern,
- reflektieren ihre widersprüchlichen Reaktionen in der Hilflosigkeit zwischen Flucht und Aggression,
- reflektieren die inneren Widerstände, die aus dem Zwiespalt resultieren, invasive, verletzende, beängstigende Maßnahmen durchführen zu müssen, z. B. bei Wundkontrollen festhalten …, und dem Kind Bindungssicherheit zu ermöglichen bzw. sein Autonomiestreben anzuerkennen und fördern zu wollen,
- setzen sich mit der eigenen Rolle im Dreiecksverhältnis zwischen medizinischer Versorgung, der Anwaltschaft für das Kind und der Unterstützung der Eltern auseinander.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... vergegenwärtigen sich in der Rückschau der bis zu diesem Moment erarbeiteten Lernsequenzen in einem 4-Eckengespräch die Anforderungen, die in der Kinderkrankenpflege an sie gestellt werden aufgrund von: eigenen biografisch geprägten Erwartungen an sich selbst (Sequenz 1), gesellschaftlichen Normen und Anforderungen (Sequenz 1/ Sequenz 4), Wünschen und Bedürfnissen von Seiten des Kindes (Sequenz 2/ 3) sowie Erwartungen von Seiten der Eltern (Sequenz 4), und unterscheiden dabei, welche dieser Anforderungen sie gut bewältigen können und welche sie als Belastung erleben
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4-Eckengespräch mit Flipchart, organisiert mit wechselnden Gesprächspartner*innen |
2 |
... wählen 4 bis 6 der identifizierten Belastungen aus und entwickeln eine Situationsbeschreibung, in der diese Belastungen sie in einen moralischen Konflikt bringen könnten |
zu 2 und 3:
Kleingruppenarbeit mit Ergebnispräsentation und Diskussion ("Engelchen/ Teufelchen" bzw. "good angel/ bad angel") im Plenum |
3 |
... zu diesen Entscheidungen sammeln sie Argumente für und gegen eine bestimmte Handlungsweise und stellen diese zur Diskussion |
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Sequenz 6 - Eine Leitlinie für die chirurgische Pflege von Kindern formulieren
2 Std. (davon Kommunikation: 0,5 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- nennen und erklären Ziele und den Aufbau von Leitlinien und Standards (Wdh.),
- reflektieren zwischen individueller Versorgung im Kontaktaufbau zum Kind und seinen Eltern und der optimalen, leitliniengerechten medizinischen Versorgung,
- setzen sich mit der Dienstkleidungsempfehlung im Widerspruch zwischen Hygiene-/ Arbeitsschutzrichtlinien und möglichst gutem Kontaktaufbau zum Kind auseinander.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... aktivieren ihre Vorkenntnisse zu den Aufgaben und dem Aufbau von Leitlinien/ Standards |
Unterrichtsgespräch im Plenum (alternativ: Hausarbeit) |
2 |
... entwickeln vor dem Hintergrund der Erarbeitung in der Lernsituation (Wandzeitungen) eine Handlungsleitlinie zur Versorgung von 1½- bis 6-jährigen Kindern in der chirurgischen Kinderklinik und beachten dabei insbesondere Aspekte der Kommunikation und Interaktion |
Einzel- oder Partner*innenarbeit |
3 |
... diskutieren, inwiefern eine solche Leitlinie aus den unterschiedlichen Perspektiven heraus (Kind, Eltern, Ärztinnen/ Ärzte, Pflegende, Klinik) sinnvoll eingesetzt werden könnte |
Diskussion ausgewählter Ergebnisse und Ergänzung im Plenum oder Podiumsdiskussion zu den Einsatzmöglichkeiten - Alternative: Ergebnisse werden im Sinne einer Leistungskontrolle zur Beurteilung erarbeitet, dann sollte eine Diskussion zunächst schriftlich erfolgen |
Hinweise zur Unterrichts-vorbereitung
- Für Sequenz 1, Sequenz 2 sowie Sequenz 3 sind curriculare Abstimmungen hinsichtlich der Erarbeitung des Umgangs mit Ängsten und Schmerzen im Bereich der chirurgischen Pflege erforderlich, um Redundanzen zu vermeiden und gezielte Vergleiche in der Versorgung zwischen erwachsenen Menschen und Kindern zu ermöglichen (im NaKomm z. B. mit den Kolleg*innen, die in --> Ingos Tagebuch/ Blog, Sequenz 4 und Sequenz 7 unterrichten).
- Für Sequenz 3 muss ebenfalls eine curriculare Abstimmung zum Themenbereich "Wundversorgung" erfolgen (vgl. z. B. --> Ingos Tagebuch/ Blog, Sequenz 8).
- Für Sequenz 3 sollte die Erstellung einer Wunddokumentation erfolgen und es sollten Material sowie ggf. Modelle für eine praktische Durchführung bereitgestellt werden.
Voraussetzungen, Weiterführungen, Alternativen
Voraussetzungen
- Die Lernsituation sollte frühestens im 2. Semester – nach dem ersten Praxiseinsatz – geplant werden, aber möglichst vor dem Einsatz von Auszubildenden auf einer pädiatrischen Station, ist aber auch zur Aufarbeitung von ersten Praxiserfahrungen in der Pflege von Kindern geeignet.
- Möglichst sollte eine Einführung in die Entwicklungspsychologie der Kindheit bis zum 10. Lebensjahr erfolgt sein bzw. hier integriert werden, im NaKomm erfolgt eine Annäherung an entwicklungspsychologische Fragestellungen in –> Familie als System verstehen (über die Lebensphase der Adoleszenz, die den Lernenden noch nah sein könnte) und eine chronologische Einführung in die Entwicklung im 1. Lebensjahr in –> Auf der Eltern-Kind-Station.
- Möglichst sollten Vorkenntnisse hinsichtlich Emotionspsychologie, insbesondere in Bezug auf Angstentwicklung, vorhanden sein, z.B. –> Gefühlswirrwarr aufdröseln.
- In der Konzeption des NaKomm werden die chirurgische Pflege und damit auch die Erfassung und Interventionen bei akuten Schmerzen und der Umgang mit Angst vor Operationen bei Erwachsenen vorangestellt –> Ingos Tagebuch / Blog.
- Die Lernenden sollten über Kenntnisse in der Gestaltung von Anleitungsgesprächen / Instruktionen und zur Informationsvermittlung verfügen, z. B. durch –> Menschen zum Handeln anleiten sowie –> Informationen geben.
- Der Begriff der Leitlinie sollte den Lernenden vertraut sein.
Weiterführungen
- Im NaKomm sind für verschiedene Aspekte zur Kommunikation und Interaktion in der pädiatrischen Pflege im weiteren Ausbildungsverlauf noch die folgenden Lernsituationen konzipiert: –> Meine Bauchspeicheldrüse kann mich mal, –> Ein Mädchen, –> Streuzucker, –> Eine ganz schwierige Patientin.
- Aspekte der Entwicklungspsychologie werden im weiteren Ausbildungsverlauf in Bezug auf die Lebensphase der Adoleszenz in –> Meine Bauchspeicheldrüse kann mich mal aufgenommen und fortgeführt sowie in –> Ein Mädchen weiter vertieft.
- Die in dieser Lernsituation zu übende Kompetenz zur gezielten Informationsgabe gegenüber den Eltern kranker Kleinkinder wird im weiteren Ausbildungsverlauf im Hinblick auf die Schwierigkeit des zu übermittelnden Inhalts und die Motivation zur Informationsaufnahme gesteigert, z. B. in –> Henriette Schulz zur Lebensführung bei einer komplexen internistischen Gesundheitsbeeinträchtigung, in –> Sprachlos zur präoperativen Vorbereitung auf eine Laryngektomie, in –> Meine Bauchspeicheldrüse kann mich mal bei grundsätzlicher Ablehnung einer chronischen Erkrankung durch eine jugendliche Patientin und in –> Ich kann da gar nicht hinschauen bei Blockierungen durch eine Körperbildstörung und Selbstekel in Verbindung mit der Versorgung eines Anus praeter.
- Parallel werden im 2. Semester im Anschluss an diese Lernsituation zum Führen von Informationsgesprächen mit –> In den Schuhen der Anderen, –> Personenzentriert kommunizieren sowie –> Anleiten, Informieren, Schulen, Beraten theoretische Grundlagen und Skills in der Gesprächsführung vermittelt, die zunächst in der –> Kollegialen Beratung zur Anwendung und Selbsterfahrung kommen sollen.
- Zum Ende des 3. Semesters und im 4. Semester wird die Informationsgabe mit dem Konzept der Mikroschulung verknüpft, um den Lernenden zusätzliches Handwerkszeug für die Durchführung einer strukturierten, formellen Informationsgabe an die Hand zu geben.
- Auf die Kompetenz zur Informationsgabe aufbauend wird im 4. Semester in –> Partnerschaftliche Entscheidungsfindung die gezielte Recherche und Übermittlung von Wissensinhalten zu einer von den zu pflegenden Menschen selbst thematisierten Entscheidungsproblematik angesprochen und praxisbezogen umgesetzt.
- Die Konzeption und Durchführung eines ergebnisoffenen, auf die Integration von Wissen zielenden Beratungsgesprächs in der Pflege wird z. B. im 5. Semester zum Umgang mit einer bestehenden Urininkontinenz in –> Herr Becker und Frau Gerwien thematisiert.
- Weiterhin werden in verschiedenen Lernsituationen im letzten Ausbildungsabschnitt auch die persönlichen, situativen und institutionellen Grenzen von Beratungsinterventionen im Pflegealltag reflektiert, z. B. –> Eine ganz schwierige Patientin.
Parallelen
- Wenn weniger die Reflexion der Berufsrolle und der inneren Konflikte von Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege in ihrer Begegnung mit kleinen Kindern und deren Eltern im Vordergrund stehen sollen, sondern eher die Orientierung in einem neuen chirurgischen Versorgungsbereich mit den zugehörigen pflegerischen Verrichtungen, kann alternativ die Lernsituation –> Lucca und Paula auf der HNO geplant werden, mit der ansonsten vergleichbare Unterrichtsziele angestrebt werden. Abhängig von der curricularen Verknüpfung mit anderen Kompetenzbereichen und Inhalten ist auch eine Kombination und wechselseitige Anpassung dieser beiden Lernsituationen denkbar.
Anhang
Entwicklung
- Das der Lernsituation hinterlegte Narrativ wurde am Centrum für Pflegeberufe, Klinikum Nürnberg (CfP) von einer Schülerin im 2./ 3. Ausbildungsjahr formuliert und für die Erarbeitung im Unterricht anonymisiert und geringfügig überarbeitet. Die Lernsituation wurde am CfP als Modellschule im "Nationalen Mustercurriculum für die Kommunikative Kompetenz in der Pflege" (NaKomm) entwickelt und erprobt (Lalita Coldewey, Michael Fries, Petra Hartinger, Julia Simon u. a.).
- Die Fallsituation "Visite bei Lucca, 4 Jahre, auf der HNO" wurde am IPP im Rahmen eines Vorgängerprojekts in Zusammenarbeit mit Maria Plonski entwickelt und hier für den Ausbildungskontext des Mustercurriculums umformuliert und ergänzt.
Dokumente
Literatur
- Ahnert, L. (Hrsg.) (2014): Theorien in der Entwicklungspsychologie. Wiesbaden: VS.
- Ahnert, L.; Spangler, G. (2014): Die Bindungstheorie. In: Ahnert, L. (Hrsg.) (2014): Theorien in der Entwicklungspsychologie. Wiesbaden: VS, 404-435.
- Brackmann, F. (2011): Ängstlichkeit und Traumavorgeschichte der Eltern und Angst von Kindern vor einer medizinischen Untersuchung. München: Dissertation a. d. Ludwig-Maximilians-Universität.
- Cierpka, M.; Cierpka, A. (2000): Beratung von Familien mit zwei- bis dreijährigen Kindern. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 49 (8), 563-579.
- Fröhlich-Gildhoff, K. (2014): Prävention von Angststörungen im Kindes- und Jugendalter. In: Hasselhorn, M.; Schneider, W. (2007): Handbuch der Entwicklungspsychologie. Göttingen: Hogrefe, 341-348.
- Hasselhorn, M.; Schneider, W. (2007): Handbuch der Entwicklungspsychologie. Göttingen: Hogrefe.
- Hax-Schoppenhorst, T.; Kusserow, A. (Hrsg.) (2014): Das Angst-Buch für Pflege- und Gesundheitsberufe. Praxishandbuch für die Pflege- und Gesundheitsarbeit. Bern: Hans Huber, 341-348.
- In-Albon, T. (2014): Angststörungen im Kindes- und Jugendalter. In: Hax-Schoppenhorst, T.; Kusserow, A. (Hrsg.) (2014): Das Angst-Buch für Pflege- und Gesundheitsberufe. Praxishandbuch für die Pflege- und Gesundheitsarbeit. Bern: Hans Huber, 125-132.
- Leitner, B. (2014): Mit den Jüngsten reden. Dialog mit Kindern in den ersten Lebensjahren. klein&gross, 11, 28-31. Online: https://www.oldenbourg-klick.de/oklick_dl_campus/11250/download (26. Aug. 2019).
- Leitner, B. (2013): Kommunikation mit Kindern in den ersten Lebensjahren. Bedingungen für gute Beziehungen von Erzieherinnen und Kindern. Frankfurt/M. – herausgegeben und vertrieben durch GEW-Hauptvorstand, Organisationsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit. Online: https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/kommunikation-mit-kindern-in-den-ersten-lebensjahren/ (30. Sept. 2018).
- Mähler, C. (2007): Kindergarten- und Vorschulalter. In: Hasselhorn, M.; Schneider, W. (2007): Handbuch der Entwicklungspsychologie. Göttingen: Hogrefe, 164-174.
- Messerer, B.; Gutmann, A.; Vittinghoff, M.; Weinberg, A.-M.; Meissner, G.; Sandner-Kiesling, A. (2011): Postoperative Schmerzmessung bei speziellen Patientengruppen. Teil I: Das kognitiv unbeeinträchtigte Kind. In: Der Schmerz, 3, 245-255.
- Neumeyer, A.-E. (2016): Die Angst vergeht, der Zauber bleibt. Therapeutisches Zaubern® in Arztpraxen und Krankenhäusern. Frankfurt/Main: Mabuse.
- Roebers, C. M. (2007): Entwicklung des Selbstkonzepts. In: Hasselhorn, M.; Schneider, W. (2007): Handbuch der Entwicklungspsychologie. Göttingen: Hogrefe, 381-394.
- Symanzik, T.; Lohaus, A.; Heinrichs, N. (2016): Joko, du und ich. Ein Präventionsangebot zur Förderung der Interaktion zwischen Eltern und ihren 24 bis 36 Monate alten Kindern. In: Kindheit und Entwicklung, 25 (4), 250-260.
- Weinberger, S. (2015): Kindern spielend helfen. 6. überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz Juventa.
- Wicki, W. (2015): Entwicklungspsychologie. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. München: Ernst-Reinhardt.