Die 4 Augen
Umgang mit Prüfungsangst im Rahmen der Körperpflege bei einer Probezeitprüfung
Der Fall
Immer waren „die 4 Augen“ hinter mir
„Auf Wohnbereich 1A, am Tag von meiner Probezeitprüfung, hatte ich mir in der Früh alles hergerichtet, um meine Patientin, Frau Schröder, zu waschen: Handtücher, Waschlappen, frisches Nachthemd, Waschschüssel und ihre persönlichen Utensilien für die Morgentoilette.
Ich war mir etwas unsicher, da die Patientin erst am Vortag aus dem Krankenhaus zurückgekommen war. Sie war letzte Woche gestürzt und so unglücklich gefallen, dass ihr linker Oberarm gebrochen war. Sie wurde nun mit einem Gilchristverband versorgt und hatte auf der linken Körperseite noch ganz viele und große blaue Flecken und einige kleinere Schürfwunden. Der Krankenhausaufenthalt war ihr gar nicht gut bekommen und sie war immer noch in einem etwas schlechteren AZ. Ich überlegte ständig, wie wasch ich sie am besten, wo, am Waschbecken, am Bettrand, im Bett?
Ich musste dann zu Beginn meiner Prüfung noch mal schnell umstellen vom Waschen am Bettrand auf Waschen im Bett und immer waren die „4 Augen“ hinter mir und schauten mir auf jeden Finger.
Dann war ich mit Oberkörper und Rücken fertig und wollte den Intimbereich pflegen. Die Bewohnerin hatte eine Windelhose an und nachdem ich geschafft hatte, die zu wechseln und den Intimbereich zu säubern, noch bevor ich eine neue Windel anlegen konnte, stuhlte die Bewohnerin ins Bett, oje!!!
Ich war total durcheinander, Frau Schröder war nun schon so durch den Wind, dass sie es mir gar nicht sagen konnte. Sie stuhlte ununterbrochen ein, ich hatte nur eine Windel (frisch) dabei und es war alles wieder verschmutzt. Und in meinem Nacken standen die zwei Prüfer.“
Situations-merkmale
Zielgruppe
- ältere Menschen (ab 70 Jahre)
- Menschen mit schwierigen sozialen Lebensbedingungen
Setting
- stationäre Langzeitversorgung
Pflegeanlass
- Unselbstständigkeit in der Selbstversorgung
- Inkontinenz
- Einschränkungen in der Mobilität
- Schmerz (akut/chronisch)
Lernsequenzen
Sequenz 1 - Jeder erlebt es anders – und was kann ich daraus lernen?
2 Std. (davon Kommunikation: 1 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- erklären und nutzen das Standbildverfahren und das Einsagen von Gedanken, um sich eine soziale Situation multiperspektivisch zu erschließen,
- entwickeln eine Vorstellung von der geschilderten Situation und verständigen sich über ihre inneren Bilder,
- entwickeln Hypothesen zu den Gefühlen, Gedanken, Wünschen und Bedürfnissen der beteiligten Personen und verständigen sich darüber.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... evtl. vorgeschaltet: erlernen die Methode des Standbildverfahrens, indem sie eine andere Person - ohne zu sprechen - "nach ihrem Bild formen" |
Demonstration durch die Lehrperson,
Partner*innenübung mit kurzen Feedback-Sequenzen |
2 |
... lesen das Narrativ, hören es anschließend nochmals und lassen einen "Film" vom Geschehen vor ihrem inneren Auge ablaufen |
Einzelarbeit |
3 |
... demonstrieren ihre inneren zur Situation Bilder als Standbilder
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Lehrer*in erläutert die Methode "Standbild bauen" als Möglichkeit der Fixierung sozialer Situationen, Erarbeitung im Plenum, Lehrer*in unterstützt und regt dazu an, innere Vorstellungen zu veröffentlichen
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4 |
... geben den 4 beteiligten Personen Gedanken zu der Situation ein, die diese dann laut werden lassen; formulieren die Gedanken der einzelnen Personen, indem sie hinter die Person treten und sie in der Ich-Form laut aussprechen
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Notizen zu den möglichen Gedanken auf einer Wandzeitung bzw. auf der digitalen Plattform der Lerngruppe (für Sequenz 5), ggf. auch mit Fotografien zum Standbild |
5 |
... "diskutieren in Bildern" unterschiedliche Vorstellungen von der Situation (bis "Sättigung" eintritt, d. h. keine neuen Aspekte hinzukommen) |
Dokumentation der unterschiedlichen "Diskussionsbeiträge" |
6 |
... formulieren Lernfragen, die den Lernsequenzen zugeordnet werden ("Was möchte ich wissen/ können, um in einer vergleichbaren Situation gut handeln zu können?") |
Wandzeitung zum Ablauf der Lernsituation, die für den Verlauf des Unterrichts hängen bleibt, alternativ Dokumentation auf der elektronischen Plattform der Lerngruppe |
Sequenz 2 - Sturzfolgen und ihre medizinisch-pflegerische Versorgung (Fraktur- und Frakturheilung/ Schürfwunden/ Blutergüsse)
6 Std. (davon Kommunikation: - Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- entnehmen diversen Dokumentationsunterlagen Informationen zur gesundheitlichen Situation von Frau Schröder und verdeutlichen sich die Mobilitätseinschränkungen, die sich infolge des Sturzes bzw. nach dem Krankenhausaufenthalt ergeben haben,
- erschließen sich die gesundheitliche Situation der Bewohnerin und die Pathophysiologie ihrer Verletzungen infolge des Sturzes (Fraktur, Schürfwunden und Hämatome),
- erklären und diskutieren die gewonnenen medizinischen Informationen fallbezogen fachlich korrekt.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... lesen ergänzend zum Fall Dokumentationsunterlagen von Frau Schröder im Hinblick auf ihren aktuellen Gesundheitszustand (vgl. Dokumente im Anhang: Foto und Daten, Sturzereignisprotokoll, Arztbrief, Überleitungsbogen, Pflegeplanung, Berichtsblatt, Wunddokumention)
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Schritt 1-3: Gruppenarbeit in 6 festen Kleingruppen (für alle Lernsequenzen – hier jeweils 2 themengleich),
gestützt durch Arbeitsauftrag, Recherche oder vorgefertigte Arbeitsunterlagen (vgl. Dokumente im Anhang)
-> medizinisch-pflegerische Falldiskussion |
2 |
... formulieren, möglichst konkret, ergänzende Wissensfragen zur Situation der Bewohnerin
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3 |
... erarbeiten auf der Grundlage ihrer Kenntnisse aus der Anatomie zu Haut und Bewegungsapparat/ Knochen arbeitsteilig exemplarisch die Pathophysiologie der Verletzungen bei Frau Schröder
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4 |
... stellen die Ergebnisse der Gruppenarbeiten vor und klären im Expert*innengespräch die offenen medizinischen Wissensfragen zu diesem Fall
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Lehrer*in-Schüler*innen-/ Expert*innen-Gespräch |
5 |
... definieren die aktuelle gesundheitliche Situation von Frau Schröder, insbesondere die gesundheitlichen Probleme, die sich erschließen lassen |
Lehrer*in-Schüler*innen-Gespräch mit Ergebnisdokumentation |
Sequenz 3 - Die Körperpflege bei Frau Schröder planen und durchführen
10 Std. (davon Kommunikation: 1 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- orientieren sich in diversen pflegebezogenen Dokumentationsunterlagen der Bewohnerin und entnehmen diesen die für die morgendliche Körperpflege erforderlichen Informationen,
- planen die Vorbereitung und den Ablauf der morgendlichen Pflege individuell auf der Grundlage der erhobenen Daten und begründen getroffene Entscheidungen fallbezogen,
- simulieren die geplante Pflege und reagieren dabei situativ auf sich neu ergebenden Anforderungen,
- gestalten die Interaktion/ Kommunikation mit Frau Schröder im Rahmen der Simulation,
- ergänzen ihren Skill-Koffer mit Formulierungen für schwierige Situationen der körpernahen Versorgung,
- vermeiden Keimverschleppung im Rahmen der Körperpflege, planen alle Pflegemaßnahmen hygienisch korrekt und leitliniengerecht und setzen sie entsprechend um,
- berücksichtigen in ihrer Planung und Durchführung der Körperpflege Anforderungen an die Kommunikations- / Interaktionsgestaltung,
- beobachten und vergleichen den Versorgungsablauf und geben und nehmen Feedback,
- fokussieren im Rahmen des Feedbacks neben verrichtungsorientierten Aspekten auch gezielt gelungene und schwierige Momente der Kommunikation bzw. Interaktionsgestaltung,
- unterscheiden zwischen standardisierten Vorgaben, individuellen Anpassungen/ Variationen und Mängeln,
- dokumentieren die durchgeführte Versorgung,
- berücksichtigen in ihrer Interaktion- und Kommunikationsgestaltung Aspekte von Verlegenheit und Scham,
- gehen in ihrer Interaktion und Kommunikation unmittelbar und situativ auf Äußerungen zum Befinden und individuellen Verhalten ein,
- sammeln mögliche Krisensituationen, die sich im Versorgungsablauf entwickeln können und tragen situativ mögliche Reaktionen zusammen.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... lesen ergänzend zum Fall die allgemeinen Dokumentationsunterlagen von Frau Schröder und entnehmen ihnen Pflegeprobleme, -ressourcen und die geplanten Standardmaßnahmen (vgl. Dokumente im Anhang)
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Schritt 1-5:
Gruppenarbeit in den festen Kleingruppen: Arbeit mit der Pflegedokumentation/ -prozessplanung und praktische Übungen mit wechselseitigen Rückmeldungen zwischen den Gruppen und durch die Lehrende/ den Lehrenden
(vgl. Dokumente im Anhang)
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2 |
... lesen den Pflegebericht (vgl. Dokumente im Anhang), insbesondere die Eintragungen der Nachtwache, vergegenwärtigen sich ihre Erkenntnisse aus Sequenz 2 und bestimmen auf dieser Basis mögliche Veränderungen der Probleme und Ressourcen von Frau Schröder gegenüber der vorliegenden Pflegeplanung (vgl. Dokumente im Anhang) |
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3 |
... planen die konkrete Maßnahme zur Körperpflege unter Berücksichtigung einer vorliegenden Leitlinie und treffen hierfür fallbezogen Entscheidungen
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Ergänzung durch entsprechende Leitlinie einer Kooperationspartnerin/ eines Kooperationspartners |
4 |
... stellen - anknüpfend an die Lernsituation --> Merkmale und Bedeutung pflegerischer Kommunikation (insbes. Sequenz 3) - die Momente zusammen, in denen die Kommunikation mit Frau Schröder für sie selbst oder die Pflegenden schwierig werden könnte, und entwickeln hierfür einen "Werkzeugkasten" mit geeigneten Formulierungen, die ihnen helfen, die Würde für beide zu wahren |
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5 |
... erproben und korrigieren in Gruppenarbeit die Durchführung ihrer geplanten Handlung am Bett
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6 |
... demonstrieren ihr Ergebnis vor der/ dem Lehrenden und einer anderen Arbeitsgruppe |
Schritt 6-8: möglichst Teamteaching - jeweils eine Lehrperson betreut zwei Arbeitsgruppen, die Demonstrationen können zeitlich gegeneinander verschoben werden - auch in Verbindung mit den Gruppenarbeitsphasen aus Sequenz 4 |
7 |
... geben sich jeweils Rückmeldung zu gelungenen Handlungsabläufen sowie Schwachstellen in der Durchführung der Verrichtungen und zur Gestaltung der Interaktion (auch durch Einfühlung in die Perspektive von Frau Schröder - Ich-Form!) |
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8 |
... diskutieren jeweils im Anschluss an diese Demonstration mögliche Veränderungen der Handlung aufgrund von weiteren Krisen-/ Worst-Case-Szenarien, die eintreten könnten |
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Sequenzen 4 - (Prüfungs-) Angst bzw. Stress und Möglichkeiten, damit umzugehen
4 Std. (davon Kommunikation: 4 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- erläutern physio- und psychologische Erklärungsansätze für Stress- (und Angst-)reaktionen und die damit verbundenen Auswirkungen für die Einzelne/ den Einzelnen,
- kennen Modelle und Techniken zur Stress- und Angstbewältigung und erproben deren Umsetzung,
- leiten Erklärungen für die Wirksamkeit von Interventionen zur Stressbewältigung theoretisch her,
- tauschen sich über ihren individuellen Umgang mit Prüfungsangst und ihre persönlichen Formen von Stressreaktionen aus,
- schätzen die Wirksamkeit von Interventionen zur Bewältigung von Angst und Stress und zum Umgang mit Prüfungsangst für sich persönlich ein und wählen eine für sie geeignete Form aus,
- reflektieren den inneren Widerstreit zwischen der Überzeugung über Kenntnisse und Kompetenz zu verfügen und dem Gefühl, von Angst überwältigt zu werden bzw. dem Erleben von Inkompetenz und Konfusität in der Stresssituation.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... beschreiben ihre individuellen Reaktionen, wie sie mit fordernden Situationen, Prüfungsangst und Stress umgehen
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Schritt 1-5: Organisation nach dem Prinzip des Gruppenpuzzles in Stamm- und Expert*innengruppen (evtl. Schritt 2 und 4 sowie 3 und 5 zusammenfassen), Beginn mit einem erfahrungsorientierten Gruppengespräch in der Stammgruppe (gelenkt durch Arbeitsauftrag) |
2 |
... vollziehen unterschiedliche, wissenschaftlich beschriebene psychologische und physiologische Vorgänge zur Angstentstehung und Stressreaktion nach und erklären sie mit eigenen Worten |
Erarbeitung theoretischer Zusammenhänge durch Eigenrecherche oder anhand von vorbereitetem Unterrichtsmaterial mit Hilfe von stützenden Arbeitsaufträgen (und Begleitung des Arbeitsprozesses durch die Lehrperson) in Expert*innengruppen
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3 |
... vergleichen ihre individuell beschriebenen Reaktionsfor-men mit den verschiedenen Erkenntnissen der Wissenschaft
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erfahrungsorientiertes Gruppengespräch in der Stammgruppe |
4 |
... erläutern verschiedene, wissenschaftlich erwiesene Techniken der Angstregulierung bzw. Stressbewältigung und erklären den jeweiligen Wirkmechanismus
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theoretische Erarbeitung in den Expert*innengruppen, Ergebnissicherung, z. B. durch Protokolle o. ä., ggf. in Verbindung mit der Dokumentation auf der digitalen Lernplattform der Lerngruppe |
5 |
... tauschen sich über ihre gewonnenen Erkenntnisse und persönlichen Einschätzungen aus und erproben ausgewählte Techniken |
praktische Erarbeitung in der Stammgruppe |
6 |
... bestimmen für sich in diesem Lebensabschnitt geeignete Formen des Umgangs mit belastenden (Prüfungs-)Situationen und tauschen sich darüber aus |
Arbeit in der Stammgruppe, ggf. Ergebnissicherung der zentralen Erkenntnisse, z. B. auf der digitalen Lernplattform der Lerngruppe |
Sequenzen 5 - Soziale Rollen und Rollenkonflikte in der Pflegeausbildung
4 Std. (davon Kommunikation: 4 Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- klären und definieren den Begriff der (sozialen) Rolle und damit in Zusammenhang stehende Begriffe (Rollenbilder, Position, Rollenset, Formen der Rollenübernahme, Formen von Rollenkonflikten),
- erläutern am Fallbeispiel die unterschiedlichen sozialen Rollen im Rahmen der Pflegeausbildung und die damit verbundenen Ziele, Wertvorstellungen, Erwartungen und Handlungsmuster bzw. typischen Verhaltensweisen,
- identifizieren Intra- und Interrollen- und Interessenskonflikte bei den einzelnen Akteuren in der Fallsituation,
- denken sich in die verschiedenen Rollenperspektiven ein, nehmen die geschilderte Situation aus diesen Perspektiven wahr und deuten die mit der Situation verbundenen Konflikte mehrperspektivisch,
- suchen aus der Perspektive der Rolle der Lernenden heraus nach Lösungsmöglichkeiten, wobei sie die Perspektiven der anderen Akteure mitdenken,
- identifizieren und reflektieren strukturelle Widersprüche (Inter- und Intrarollenkonflikte), die mit den verschiedenen sozialen Rollen im Ausbildungssystem verbunden sind und suchen aus der Perspektive der/ des Auszubildenden nach potenziell sinnvollen Lösungen.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... lernen den Begriff der sozialen Rolle und der Organisation kennen |
Lehrer*invortrag und/ oder Textarbeit |
2 |
... definieren in Arbeitsgruppen, ggf. mit ergänzendem Textmaterial, arbeitsteilig die Rollen und die Aufgaben
(a) der Schülerin/ des Schülers, (b) der Heimbewohnerin, (c) der Praxisanleiter*in, (d) der Lehrerin/ des Lehrers, (e) der Organisation Pflegeheim, (f) der Organisation Schule
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Schritt 2 und 3: Gruppenarbeit mit Arbeitsauftrag (vgl. als Anregung Muster in der Anlage) |
3 |
... arbeiten mögliche Intra- und Interrollenkonflikte und Interessenskonflikte in der Situation heraus (verknüpfen diese, wenn möglich, mit den Gedankenassoziationen aus der Einstiegssequenz)
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4 |
... diskutieren multiperspektivisch, welche Handlungsspiel-räume die Personen in der Situation haben, um diese günstig zu beeinflussen und entscheiden begründend, ob es aus der Perspektive der Lernenden heraus klug ist, die Prüfer*innen um Hilfe zu bitten |
Fish-bowl-Diskussion - !! Die Lehrenden sollten sich an dieser Stelle keinesfalls verleiten lassen, zu früh bzw. überhaupt Stellung zu nehmen, sondern auf den Problemlösungsprozess in der Lerngruppe vertrauen!! |
Sequenz 6 - Was nehme ich für meine Zwischenprüfung mit?
2 Std. (davon Kommunikation: - Std.)
didaktisch inhaltliche Zuordnung
Die Lernenden...
- bereiten sich auf einen Praxiseinsatz vor,
- machen sich ihre persönlichen Lernerfolge sowie offene Fragen und Probleme bewusst,
- reflektieren den Arbeitsprozess in der Lerngruppe und geben sich wechselseitig Rückmeldungen und erfahren Feedback durch andere.
didaktisch methodischer Verlauf
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Die Lernenden... |
Methodik
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1 |
... prüfen, welche Lernfragen aus Lernsequenz 1 beantwortet sind und wo weiterhin Wissenslücken bestehen |
Schritt 1-3: Gruppenarbeit -> Plenumsgespräch |
2 |
... formulieren, welche Erkenntnisse sie für ihre praktische Zwischenprüfung mitnehmen |
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3 |
... geben sich in der Lerngruppe gegenseitig Feedback |
Lerntagebuch bzw. Praxislernbuch |
Hinweise zur Unterrichts-vorbereitung
- Für die Praxisphasen in Sequenz 3 ist ein Demonstrationsraum und (abhängig von der Klassengröße) ggf. die Möglichkeit des Teamteachings sinnvoll.
- Für die Erarbeitungsphase in Sequenz 5 sollten Gruppenräume zur Verfügung stehen bzw. sollte die Möglichkeit gegeben sein, dass die Gruppen unabhängig voneinander arbeiten können.
Voraussetzungen, Weiterführungen, Alternativen
Voraussetzungen
- Die Lernsituation ist für den Verlauf des 1. Semesters in der Vorbereitung auf den Orientierungseinsatz (mit praktischer Probezeitprüfung) geplant.
- Einführung in die Anatomie des Bewegungsapparates und die Physiologie der Bewegung, Einführung in die Anatomie und Physiologie der Haut, Grundprinzipien zum Vorgehen bei der Körperpflege (Waschbecken, Dusche, Bett) sind bereits erarbeitet und können hier selbstorganisiert umgesetzt werden.
Weiterführungen
- Zum Schmerzempfinden in einer akuten Schmerzsituation, das hier ohne vertiefende inhaltliche Bearbeitung lediglich auf der Basis des Vorwissens/ der Eigenerfahrung in Sequenz 3 bei der Durchführung der Pflege berücksichtigt werden muss, werden im 2. Semester in –> Ingos Tagebuch/ Blog kommunikative, psychische, pflegerische und medizinische Aspekte systematisiert eingeführt und dann an verschiedenen Stellen im Hinblick auf chronisches Schmerzerleben vertieft (z. B. in –> Durch Verlaufskurven begleiten).
- Wundversorgung wird ebenfalls im 2. Semester in –> Ingos Tagebuch/ Blog grundlegend erarbeitet und im weiteren Ausbildungsverlauf in –> Tourenplanung und Begegnungen von Haus zu Haus in Bezug auf chronische Wunden vertieft ; der Unterricht kann hier auf die unmittelbare Beachtung der Sturzverletzungen von Frau Schröder im Rahmen der Körperpflege beschränkt bleiben.
- Der mit der –> Merkmale und Bedeutung pflegerischer Kommunikation begonnene und hier in Sequenz 3 aufgenommene Aufbau eines „Skill-Koffers“ mit geeigneten Formulierungen in schwierigen Pflegesituationen kann z. B. in –> Setz dich mal an sein Bett und –> In fremden Haushalten fortgeschrieben werden.
- Die Lernsituation, insbesondere die Sequenz 4, bildet eine mögliche Grundlage für –> Gefühlswirrwarr aufdröseln und bedingt deshalb eine enge inhaltliche und didaktisch-methodische Abstimmung zwischen den Lehrer*innen. Während für diese Lernsituation zunächst die exemplarische Auseinandersetzung mit einer Basisemotion – (Prüfungs-)Angst – gedacht ist, soll die Reflexion der in der Praxis erlebten Emotionen und Gefühlsreaktionen mit einer systematischen, auch theoretisch fundierten Erarbeitung grundlegender Erkenntnisse der Emotionspsychologie verbunden werden. Die beiden Lernsituationen hinterlegten Textmaterialien und fachlichen Systematisierungen sollten möglichst so aufeinander abgestimmt sein, dass die Lernenden in der Wiederaufnahme eine Weiterführung und einen Erkenntnisgewinn verzeichnen, der in der Weiterführung –> Gefühlswirrwarr aufdröseln (s. dort) als hilfreich erlebt werden kann.
- Begegnungen mit Angst, insbesondere mit der Angst der zu pflegenden Menschen, werden im weiteren Ausbildungsverlauf aufgegriffen und vertieft, z. B. parallel (und noch nicht explizit thematisiert) im 1. Semester in –> Frau Mauerhoff, im 2. Semester in der Form von Angst vor Operationen bzw. medical fear in –> Ingos Tagebuch/ Blog und besonders bei Kindern in –> Leon bzw. –> Lucca und Paula auf der HNO, im 4. Semester als Begegnung mit existenziellen Ängsten vor Verlust, Sterben und Tod, z. B. –> Frau Feldmann, sowie in Verbindung mit Gewalt und Aggression –> Erfahrungen mit Gewalt in der Pflege, und im 5. und 6. Semester in Verbindung mit psychiatrischen Diagnosen und Panikattacken, z. B. –> Das weiße Rauschen.
- Der Begriff der sozialen Rolle, die Übernahme einer Berufsrolle als Pflegende*r sowie die Kompetenz, Anforderungen verschiedener sozialer Rollen wahrzunehmen und soziale (konfliktbehaftete) Situationen durch einen gezielten Wechsel der Perspektive zu deuten, wird im NaKomm an verschiedenen Stellen weiterentwickelt, z. B. im 2. Semester in –> Familie als System verstehen/ –> In fremden Haushalten, im 3. Semester in –> Ein Mädchen/ –> Frau Krabbe …, im 4. Semester in –> Streuzucker, im 5. Semester in –> Ich verstehe meinen Mann nicht mehr und im 6. Semester in –> Montagmorgen.
Parallelen
- Die Lernsituation bildet eine Alternative oder Ergänzung zu –> Mein erster Tag …, – dort liegt der Schwerpunkt stärker auf den Emotionen Ekel und Wut.
- Das Setting für die Lernsituation kann mit nur wenigen Änderungen in der Fallsituation (sowie Anpassung der Dokumente in der Anlage) von der stationären Langzeitversorgung in die Akutversorgung oder auch für die häusliche Pflege (sofern die Probezeitprüfungen der Schule auch in diesem Setting stattfinden) umgestaltet werden.
- Die Erkrankung der Patientin/ Bewohnerin kann durch Anpassung des Falls – in Abhängigkeit vom restlichen Lehrplan und dem Schwerpunkt der Einsatzorte – ebenso variiert werden.
- Wird die vorliegende Lernsituation zusätzlich zu –> Mein erster Tag … geplant, könnte eine inhaltliche, methodische und zeitliche Anpassung erforderlich sein, um Redundanzen zu vermeiden.
- Zu –> Soziale Rollen und Rollenbild(er) von Pflegenden bestehen in Sequenz 5 Parallelen und Überschneidungen – sie kann bei Durchführung dieser Lernsituation gekürzt werden oder entfallen.
Anhang
Entwicklung
- Erhebung des Narrativs als Schüler*innenhandlungsproblem im Netzwerk Pflegeschulen in Südostbayern.
- Ausarbeitung zur Lernsituation im Rahmen der Curriculumentwicklung am Institut für berufliche Aus- und Fortbildung (IBAF) in Schleswig Holstein und Umsetzung in der Regelausbildung.
- Unterrichtsmaterialien und Dokumente in der Anlage wurden von Susanne Urhahn, Bremen, für eine Realisierung der Lernsituation im ersten Ausbildungsjahr in der Altenpflege recherchiert bzw. entwickelt und erfolgreich erprobt.
Dokumente
Literatur
- Claessens, D. (1974): Rolle und Macht. Grundfragen der Soziologie. Bd. 6, 3. überarbeitete Auflage. München: Juventa.
- Dahrendorf, R. (2006): Homo Sociologicus: ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle. 16. Auflage. Wiesbaden: VS.
- Esse, N.; Schäffner, K.; Sahmel, K.-H. (2016): Prüfungsangst – ein Thema für Pflegepädagogen?! Blockaden und Blackouts. In: Pflegezeitschrift, 69 (4), 220-223.
- Goffman, E.; Dahrendorf, R. (2017): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. Übers. von P. Weber-Schäfer. Ungekürzte Taschenbuchausgabe, 17. Auflage. Serie Piper, 3891. München: Piper.
- Hax-Schoppenhorst, T.; Kusserow, A. (Hrsg.) (2014): Das Angst-Buch für Pflege- und Gesundheitsberufe. Praxishandbuch für die Pflege- und Gesundheitsarbeit. Bern: Hans Huber (E-Book).
- Hornung, R.; Lächler, J. (2018): Psychologisches und soziologisches Grundwissen für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe – mit Online-Material. 11. Auflage. Weinheim: Beltz.
- Kieser, A.; Kubicek, H. (1992): Organisation. Berlin: Walter de Gruyter.
- Knigge-Illner, H. (2010): Prüfungsangst besiegen. Wie Sie Herausforderungen souverän meistern. Frankfurt/Main: Campus.
- Preyer, G. (2012): Rolle, Status, Erwartungen und soziale Gruppe. Mitgliedschaftstheoretische Reinterpretationen. Wiesbaden: VS.
- Peter, W. (1993): Kurze Filmszenen als Stimulusmaterial zur experimentellen Erzeugung der Grundemotionen – Angst, Ärger, Ekel, Trauer, Überraschung und Heiterkeit. Forschungsbericht des Psychologischen Instituts der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., 96.
- Ruchholtz, S.: Geriatrische Frakturen. Präsentation an der Philipps Universität Marburg. Online: https://www.uni-marburg.de/fb20/unfallchir/lehre/vl/vl (15. August 2018).
- Ryschka, J. (2007): Veränderungen in der Firma – und was wird aus mir? Ein Arbeitsbuch zum Selbstcoaching. Weinheim: Wiley.
- Schwarzer, R. (2000): Stress, Angst und Handlungsregulation. Stuttgart: Kohlhammer.
- Vester, F. (2008): Phänomen Stress. München: dtv.